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Shark Info   (15.06.1999)

Author

  Intro:

Ökonomische und ökologische Aspekte des Haitourismus

Shark Info

  Hauptartikel:

Unterwasserparks: ökonomische und ökologische Aspekte

Shark Info

  Artikel 1:

Gefährdete Kinderstuben

Dr. T. E. Hopkins

  Artikel 2:

Requiem für die Schillerlocken

Dr. A. J. Godknecht

  Artikel 3:

Aggressive Haie - Realität oder Fantasie?

Dr. E. K. Ritter

  Fact Sheet:

Dornhaie

Shark Info


Gefährdete «Kinderstuben»

Von Dr. Todd E. Hopkins

Während der über 400 Millionen Jahre ihrer Evolution kannten die Haie fast nur einen Feind — grössere Haie. Kleine und neugeborene Haie sind besonders gefährdet. Um zu vermeiden, dass ihre Jungen grösseren Haien zum Opfer fallen und wegen des reichen Nahrungsangebotes, schwimmen Haiweibchen am Ende ihrer Schwangerschaft zurück in die flachen Buchten in denen sie geboren wurden. Dort bringen sie, im geschützten Flachwasser, ihre Jungen zur Welt. Diese Hai-«Kinderstuben» sind für grössere Haie schwer zugänglich und somit ein sicherer Hafen für die Haibabys aber auch andere, kleine Haiarten.

Junger Hai

Junger Hai auf Futtersuche im Flachwasser.

© Shark Info

Oft kann man die Jungen dabei beobachten, wie sie entlang des Ufers, nur etwa einen halben Meter unter der Wasseroberfläche nach Futter — kleinen Fischen und Krebsen — suchen. Werden die Jungen grösser, dehnen sie, auf der Suche nach grösserer Beute, ihr Territorium auch in tiefere Regionen aus. Geht es auf ihren ersten Winter zu, wandern die jungen Haie meistens in Regionen ab, in denen sie reichere Beute oder wärmeres Wasser finden. Der grösste Teil aller Haiarten, grosse wie kleine Arten, leben auf oder entlang der Kontinentalsockel, oft nur in einem Bereich von ca. 10 km von der Küste entfernt.

Haie gehören zu den erfolgreichsten Wirbeltieren der Meere und die Wahl ihrer Kinderstuben unterstützte dabei ihren Erfolgszug. Doch gerade diese Wahl der flachen Küstengebiete als Kinderstuben kann heute ein Grund für ihren Untergang werden, denn der Mensch entwickelte sich mit der Zeit zur zerstörerischten Kraft, die je in der langen Geschichte der Haie ihre Kinderstuben bedrohte. Fast 60% aller Menschen leben im Umkreis von nur 60 km von der Küste entfernt. Die «Entwicklung» ganzer Küstenstriche und die Veränderung von Wasserscheiden haben die für Haiweibchen und ihre Jungen so wichtigen Lebensräume entweder zerstört oder irreparabel verändert. Wir entziehen den Flüssen ihr Wasser für Trinkwasser, Landwirtschaft und Golfplätze. Wir benutzen sie als billiges Transportmittel um unsere Abfälle und industrielle Schadstoffe ins Meer zu leiten. Wir ruinieren die Wasserqualität, wir reduzieren den Wasserzufluss und wir verändern die natürlichen Zyklen, in denen das Wasser in die Flussmündungen und Buchten fliesst.

Über 400 Millionen Jahre der Evolution haben die Haie geprägt. Doch gerade diese lange und bisher sehr erfolgreiche Entwicklungsgeschichte macht es den Haien schwer, sich an die Veränderungen anzupassen, die in den letzten paar Jahrhunderten eintraten. Was über Jahrmillionen entwickelt wurde soll plötzlich schlecht sein? Eine derartige Flexibilität hat bis heute nur der Mensch entwickelt.

Haie sind ein integrierter, überlebenswichtiger Bestandteil des Ökosystems unserer Küsten. Als Top- und Superräuber kontrollieren sie die Häufigkeit und das natürliche Gleichgewicht der Fischbestände. Natürliche, unverschmutzte Lebensräume, speziell die Kinderstuben, sind die Grundvoraussetzung für die Fortpflanzung, gesundes Wachstum, Wanderungen und generell das Überleben der meisten Haiarten.

Doch selbst wenn Haie in natürlich belassenen, unverschmutzten Kinderstuben aufwachsen, droht den Populationen Gefahr, denn viele Haiarten unternehmen Wanderungen. Auf ihren Wanderungen können sie verschiedene politische Grenzen und nationale Fischfang-Zonen mit oft ganz unterschiedlichen Fangvorschriften durchqueren. Werden Junge in einem Land geboren, kann es gut sein, dass sie als jugendliche oder ausgewachsene Haie auf ihrem Weg durch Gewässer eines anderen Landes gefangen und getötet werden. Dies kann zu einem starken Rückgang von eigentlich geschützten oder ungefährdeten Populationen führen. Derartige Mechanismen konnten in den achziger Jahren, wie von Terry Walker (1996) und Robert E. Hueter (1998) beschrieben, entlang der Küste Natals, Südafrika, und an der Golfküste von Florida beobachtet werden. Port Phillip Bay in Australien ist ein weiteres trauriges Beispiel für eine wahrscheinlich irreversible Dezimierung einer Haipopulation. In den Jahren um 1940 wurden Hundshaie, Galeorhinus zyopterus, (ihr englischer Name «soupfin shark» bedeutet auf Deutsch Suppenflossen-Hai; Anm. d. Red.) sehr stark von lokalen Fischern befischt. Zwischen 1942 und 1944 verdreifachte sich die Menge der gelandeten Hundshaie. Doch kurz darauf brachen die Fänge zusammen, woraufhin die restlichen Bestände durch eine neu eingeführte Mindestfanglänge geschützt wurden. Seit damals fangen die Fischer von Port Phillip Bay nur noch selten einen Hundshai und das Victorian Fishery Institute schätzt, dass die Hundshai Population der Bay auf gerade noch 25% der Bestände von 1920 geschrumpft sind, vor Beginn der Fischerei.

Wie können wir sicherzustellen, dass die Kinderstuben der Haie nicht zerstört und deren Bestände nicht weiter gefährdet werden? Eine Möglichkeit besteht darin, zerstörte Uferregionen in ihren natürlichen Zustand zurückzuversetzen und zu schützen. Wir müssen Abgeordnete davon überzeugen, den Verlust von Uferzonen zu stoppen und gewisse Regionen als Parks und Naturschutzgebiete für Fische und Haie zu deklarieren. Der Raubbau an den Haibeständen und muss so schnell als möglich beendet werden und es muss sichergestellt werden, dass die Regionen erhalten bleiben, in denen Haie und Fische leben, wandern und sich fortpflanzen. Regierungen müssen davon überzeugt werden, dass eine ökologisch orientierte Haltung auch ökonomisch sinnvoll ist. Sie müssen bereit sein, das Risiko einer Politik zu tragen, die im Zweifelsfall, auch ohne grossangelegte Studien, für die Umwelt entscheidet. Im Zweifelsfall ist jeder Meter Küste schützenswert.

Es wird nicht einfach sein, denn die Revitalisierung von Küstenregionen ist teuer, doch nicht unbekannt. Im südwestlichen Florida kaufte die Regierung 280'000 Hektar der westlichsten Region der «Everglades» in der Nähe von Naples für mehr als 25 Millionen US-Dollar zurück, um sie zu revitalisieren. Die Bewirtschaftung des Landes hatte sich laut dem Bericht in Luther J. Carter «The Florida Experience - South Florida: The problems of growth» als Fehlschlag erwiesen. Dieses Land wird nun weder jemals verkauft noch bebaut werden. Obwohl es in schlechtem Zustand ist, soll seine Revitalisierung gemäss dem offiziellen Plan für «.Hydrologic restoration of Southern Golden Gate Estates » es mit der Zeit wieder in einen Zustand versetzen, der dem Stand von vor 30 Jahren entspricht. Ich bin überzeugt, dass wir diese wichtige Region für Fische und Haie schützen und wiederherstellen können. Die notwendigen Technologien und Methoden sind bekannt. Doch nun müssen die Menschen davon überzeugt werden, ihr tägliches Leben und ihre ökonomischen Praktiken dahin zu ändern, dass dieses Ziel zu erreicht werden kann.

    * Dr. Todd E. Hopkins ist Forschungskoordinator des Amtes für Umweltschutz von Florida, USA, für das nationale Mündungsgewässer Forschungsreservat, Rookery Bay. Er untersucht die Auswirkungen von Bewirtschaftung und Wiederherstellung von Uferzonen, sowie deren Auswirkungen auf Wasserqualität und küstennahe Fisch- und Haiarten.
    Die Hai-Stiftung unterstützt ein Projekt von Dr. T. Hopkins in Rookery Bay / Ten Thousand Islands an der Ostküste Floridas. Das Projekt hat zum Ziel, die Langzeitwirkung der Wiederherstellung eines bisher künstlich regulierten Abflusses der Everglades (Wasserscheide) auf die dortigen Hai-Kinderstuben zu untersuchen.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. Todd E. Hopkins



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modifiziert: 04.06.2016 11:48