Von Richard Finkus
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Tauchen mit Haien ist ungefählich,
solange man die Regeln beachtet.
© Hai-Stiftung
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Kontroversen zwischen Befürwortern und Gegnern von Haifütterungen existieren
seit diese Form der Tauchausflüge vor mehr als 30 Jahren ins Leben gerufen
wurde. Die einen sehen darin eine Erhöhung der Gefahr für Menschen. Die Haie
würden konditioniert (siehe Kasten) und assoziierten entsprechend Futter mit
Menschen. Sollte ein Mensch kein Futter für sie bei sich haben, würden sie aus
Aggression zubeissen (eine sehr antropomorphe Argumentation). Die Befürworter
von Haifütterungen hingegen sehen darin ein hilfreiches Werkzeug zum besseren
Verständnis und einen wichtigen Weg, diese Tiere dem Sporttaucher
näherzubringen. Befürworter und Wissenschafter sind sich jedoch einig, dass
interaktives Haitauchen strukturiert, nach Richtlinien durchgeführt und gewisse
Fütterungstechniken, wie Hand oder Stockfütterungen, verboten werden sollten. Ein
Regierungsbeschluss sollte nun in Florida - dem Land mit den weltweit meisten
Haiunfällen - die Sache gesetzlich regeln.
Die «Florida Fish & Wildlife Conservation Commission» (FWCC), die Tierschutz-
Regierungsstelle in Florida, hat am 8. September 2000 den Antrag abgelehnt,
dass Haie und andere marine Lebewesen in Florida nicht mehr gefüttert werden
dürfen, jedoch gleichzeitig verlauten lassen, dass Richtlinien erarbeitet werden, um
solche Fütterungen strukturierter durchführen zu können. Weitere Vorstösse zur
Durchsetzung der Initiative auf kommunaler Ebene scheiterten ebenfalls.
Im September 1999 startete der «South Florida Spearfishing Club» unter der
Leitung von Steve Pacardi und Dave Earp eine Kampagne zur Abschaffung des
Fütterns von Haien und anderen marinen Lebewesen in floridianischen Gewässern.
Diese Fütterungen würden Haie konditionieren und folglich Unfälle nach sich ziehen.
Flugblätter wurden verteilt und, um die notwendigen Stimmen zu sammeln,
Unterschriftenbögen an verschiedenen Orten aufgelegt. Wie immer, wenn Haie im
Zentrum des Interesses stehen und ihr schlechtes Image ausgenutzt wird, wurde
auch hier nicht versäumt, die Haie als dumme, primitive Räuber darzustellen. So
waren auf diesen Flugblättern Schlagworte zu lesen wie "sharks will soon learn to
associate humans with food and lead to attacks against family and loved ones " (...
die Haie werden bald mal Menschen mit Nahrung in Verbindung bringen und es
wird zu Angriffen gegen Familienmitglieder und andere geliebte Menschen
kommen). Oder: " don¹t let your child or family become the first victim " (... lass
dein Kind oder deine Familie nicht die ersten Opfer werden). Obwohl in den letzten
Jahren viel Aufklärungsarbeit hinsichtlich der übertriebenen Darstellung der Gefahr,
die von Haien droht, unternommen wurde, gab es doch vereinzelt Wissenschafter,
die sich der Initiative anschlossen und mithalfen, das alte Bild wieder aufleben zu
lassen.
Die erste öffentliche Anhörung, die im Februar dieses Jahres in Ft. Lauderdale
stattfand, war mit Emotionen geladen und die Gegner liessen keinen Fall unerwähnt,
bei dem Tiere aufgrund von Fütterungen später Menschen angriffen. Das
Hauptproblem in deren Argumentation lag aber darin, dass die zitierten Fälle,
welche die Kettenreaktion unterstreichen sollten, nicht von Fütterungen mit Haien
stammten, sondern von Muränen, Alligatoren und Bären. Es ist sehr fragwürdig,
ohne entsprechende Untersuchungen, von einer Tiergruppe auf die andere zu
schliessen, nur weil es sich um Futter und wilde Tiere handelt. Unfälle mit Haien bei
Fütterungen sind sehr selten und stehen in keinem Verhältnis zur Zahl der Unfälle mit
den erwähnten anderen Tiergruppen. Während der Anhörung waren die Initianten
nicht in der Lage auch nur einen einzigen Fütterungsunfall mit Haien zu präsentieren.
Haie wissen nicht, was Menschen sind, und behandeln diese entsprechend als
unbekannte Objekte. Demzufolge könnte, selbst wenn Haie gefüttert würden, nicht
der Schluss gezogen werden, dass ein Hai beim nächsten Zusammentreffen mit
einem Menschen diesen mit der Fütterung assoziiert.
Zwar ist es richtig, dass Florida pro Jahr mehr Haiunfälle verzeichnet als irgendein
anderer Ort auf dieser Welt, doch ist wohl keiner dieser Unfälle auf
Fütterungsaktivitäten zurückzuführen. Nicht einmal von den Gegnern als Experten
hinzugezogene Wissenschafter, die versuchten, eine solche Idee zu unterstreichen,
konnten Argumente der Befürworter von Fütterungen überzeugend aus dem Weg
räumen.
Eine zweite Versammlung zur Abschaffung von Fütterungen wurde einige Monate
später in der floridianischen Landeshauptstadt Tallahassee abgehalten. Auch hier
waren Vertreter des professionellen Tauchsports, Sportfischer und Wissenschafter
vertreten, die ihre Argumente ein weiteres Mal der Kommission vortrugen. Auch bei
diesem Treffen konnte keine überzeugende Basis für eine Akzeptierung des
Verbots erarbeitet werden.
Die letzte und entscheidende Anhörung fand dann am 8. September statt, bei der
die Initiative gegen Haifütterungen klar mit neun zu null Stimmen abgelehnt wurde.
Gleichzeitig wurde jedoch den Unternehmen, die ein kommerzielles Interesse an
Haifütterungen haben, aufgetragen, eine Vereinigung zu gründen, die verbindliche
Richtlinien für solche Fütterungen ausarbeiten muss. Inwieweit die Einhaltung dieser
Richtlinien jedoch kontrolliert werden kann, wird sich zeigen. Zu diesem Zweck
wurde kurz danach die GIMEC (Global Interactive Marine Experiences Council)
gegründet, der Parteien aus verschiedenen Interessensgruppen angehören und die
als Beratungsstelle fungieren soll. Diese Beratungsstelle, zu der auch der in Florida
lebende Schweizer und wissenschaftliche Beirat der Hai-Stiftung, Dr. Erich Ritter,
hinzugezogen wurde, wird in den nächsten Monaten Richtlinien zu Haifütterungen
ausarbeiten, die für alle Anbieter in Florida verbindlich sein werden.
Das interaktive Tauchen mit Haien hat eine rund 30 Jahre alte Geschichte. Die
Bahamas, die führende Nation dieser Form der Tauchausflüge, besitzt rund 30
solcher Tauchbasen. Unfälle sind nur von Tauchlehrern bekannt, die Köder falsch
angeboten haben, jedoch keine mit den eigentlichen Sporttauchern. Weltweit
reichen die Orte, die unterschiedliche Formen von Haitauchen anbieten, weit über
hundert. Es ist unbestritten, dass richtig durchgeführte Haitauchgänge einen enormen
schulischen und psychologischen Effekt haben. Nicht nur für Haie, auch für andere
Tiergruppen ist es notwendig, Aufklärungsarbeit zu leisten, um Vorurteile
abzubauen. Nur ein tieferes Verständnis der biologischen Zusammenhänge und
der Tiere selbst kann verhindern, dass bedrohte Tiergruppen nicht aufgrund von
Unwissenheit dezimiert oder gar eliminiert werden.
Konditionierung ist ein experimentelles Training, das eine bestimmte Verhaltensweise aufgrund
bestimmter Situationen oder Reize auslöst. Dabei wird generell zwischen klassischem und
operandem Konditionieren unterschieden. Beim ersten wird beispielsweise einem Tier Futter
angeboten und gleichzeitig ertönt ein Gong. Nach mehrmaligem Wiederholen reicht alleine der
Gong aus, damit das Tier in Erwartung auf Futter erscheint.
Beim zweiten muss das Tier etwas tun, um Futter zu erhalten. Ein Beispiel wäre ein Apparat mit
mehreren Schaltern, der Futter in den Käfig fallen lässt, wenn ein Versuchstier einen
bestimmten Schalter bewegt. Zuerst drückt das Tier zufällig auf die verschiedenen Schalter.
Nach einiger Zeit wird es aber gelernt haben, dass es, wenn es auf den richtigen drückt, Futter
bekommt.
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* Richard Finkus ist Shark Research Koordinator
beim Tauchverband PADI.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Richard Finkus
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