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Shark Info   (10.02.1996)

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  Intro:

Leiden für nutzloses Haiknorpel-Pulver gegen Krebs

Shark Info

  Hauptartikel:

Haiknorpel gegen Krebs

Shark Info

  Fact Sheet:

Die Lorenzinischen Ampullen

Prof. Dr. R. Lund


Haiknorpel gegen Krebs

Bericht Shark Info

Finning

Foto: Finning     © Shark Info / Chris Schwitz

Fragwürdiges Geschäft auf dem Buckel von Tieren und Patienten

Alles begann damit, als die beiden amerikanischen Wissenschaftler(innen) Anne Lee und Robert Langer 1983 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entdeckten, dass Knorpel-Extrakte von Kälbern und Haien unter gewissen Umständen das Wachstum von neuen Blutkapillaren verhindern. Grössere Tumore können nur mit einem neuen Netzwerk von Blutgefässen entstehen, die Gefässneubildung wird in der Medizin als Angiogenese bezeichnet.

Die sogenannte Anti-Angiogenesis - die Verhinderung der Gefässneubildung - beobachteten die beiden ForscherInnen im In-vitro- und im Tierversuch. Bei Ratten und Mäusen vermehrten sich bestimmte Arten von eingepflanzten Tumorzellen nur sehr gering, wenn bei den Krebszellen gleichzeitig ein Haiknorpel-Extrakt in einer durchlässigen Kapsel eingepflanzt wurde. Der Extrakt hatte jedoch keine direkte Hemm- oder abtötende Wirkung auf die Tumorzellen.

... ins Reich der (profitablen) Fantasie

Die Entdeckung am MIT rief in der Person des Amerikaners Dr. William I. Lane bald einmal einen geschäftstüchtigen Heilversprecher auf den Plan. Der Doktor in landwirtschaftlicher Biochemie und Ernährung war Präsident der amerikanischen «Fishmeal Trade Association» und Regierungsbeauftragter des damaligen US-Präsidenten Reagan in Guinea zur Abklärung von Investitionsmöglichkeiten in der Fischindustrie. Ende der 70er Jahre, vor dem Auftauchen der Knorpeltheorien, war er vorrangig daran interessiert, Haifang im industriellen Rahmen zu entwickeln.

Lane schrieb 1992 das Buch «Sharks don't get cancer», das 1994 in der deutschen Übersetzung unter dem Titel «Warum Haie gegen Krebs immun sind» im Ullstein Verlag erschien. Angesichts der Tatsache, dass derzeit weltweit jedes Jahr mehr als vier Millionen Menschen an Krebs sterben und jährlich sechs Millionen neue Fälle registriert werden, kann man sich leicht vorstellen, dass ein wirksames Krebs-Heilmittel ein Milliardengeschäft verspricht. Dass sich jedoch bis heute kein einziges der finanzkräftigen, weltweit tätigen Pharma-Unternehmen engagierte, hat seine guten Gründe. Bis jetzt ist nämlich entgegen den Behauptungen von Haiknorpelpulver-Vertreibern und -Herstellern nicht bekannt, welche Substanz oder Substanzkombination im Haiknorpel-Extrakt für die Hemmung der Gefässbildung verantwortlich ist. Deshalb ist bis heute auch keine künstliche Herstellung des Wirkstoffes möglich. Und vor allem gibt es keine klinischen Studien, die eine Wirksamkeit des Haiknorpel-Pulvers belegen. Das «National Cancer Institute», das amerikanische Krebsforschungs-Zentrum, schreibt dazu: «Haiknorpel gegen Krebs ist ein Witz.» Ähnlich reagieren europäische Fachleute. So sagt Dr. Simon P. Hauser, Präsident der international tätigen «Study Group on Unproven Methods in Oncology» (Studiengruppe über Methoden mit unbewiesener Wirkung in der Onkologie) der Schweizerischen Krebsliga: «Beim Lesen des Buches von Lane scheint es, dass seine Geschäftsverbindungen und seine geschäftlichen Ziele die Motivation für das Werk waren und nicht wissenschaftliche Fakten. Es werden geschickt wissenschaftliche Basisdaten zur Angiogenese bei Tumorgeschehen zitiert, die in angesehenen Zeitschriften erschienen sind.» Hauser weist darauf hin, dass sich die Ergebnisse der zitierten In-vitro- und der erwähnten Tierversuche nicht einfach auf den Menschen übertragen liessen: «Einzig klinische Versuche könnten Klarheit bringen.» Die aber existieren nicht. Das bestätigt auch das Deutsche Krebsforschungszentrum: «Eine tumorspezifische Wirkung von Haiknorpel und deren Präparate ist nach unserem derzeitigen Kenntnisstand nicht bekannt.» Dr. Gerd Büschel von der «Arbeitsgruppe Biologische Krebstherapie» am Institut für Medizinische Onkologie in Nürnberg sagt: «Was behauptet wird und was wirklich nachgewiesen ist, klafft weit auseinander. Es handelt sich hier einfach um überzogene Interpretationen.» Das «National Cancer Institute» bewertet die Publikationen von Lane als nicht neutral, da er selber Inhaber einer der grössten Haipräparate-Firmen sei. Lane zitiert in seinem Buch Einzelfälle als «Beweise». So soll ein Studie in Kuba gezeigt haben, dass nach der Einnahme von Haiknorpel von 29 Krebspatienten drei Personen Verbesserungen zeigten; in New Jersey sollen es vier von zwanzig Personen gewesen sein. Das «National Cancer Institute» hat diese Studien überprüft und konnte die Ergebnisse nicht nachvollziehen. Dazu Simon P. Hauser: «Die von Lane und dem Chirurgen J.F. Prudden beschriebenen Krankheitsverläufe sind nicht ausreichend dokumentiert, dass daraus auf eine Heilung durch den Haiknorpel-Extrakt geschlossen werden kann.»

Auch Haie bekommen Krebs

Die Propagierung von Haiknorpel-Pulver gegen Krebs, Knochen- und andere -krankheiten wird heute von vielen führenden Wissenschaftern, aber auch von Behörden verurteilt. Die «Heilsgeschichte» des Haiknorpels wird seit ihrer Existenz von Lügen und Halbwahrheiten begleitet. So suggeriert der Titel des Buches von William I. Lane («Warum Haie gegen Krebs immun sind») ein Wundermittel gegen Tumore. Die simple Kurzschluss-Logik ist: Haie bekommen keinen Krebs - also verzehre man Hai und ist vor Krebs gefeit. Tatsache ist, dass auch Haie Krebs bekommen. Belegt wird dies von John C. Harshberger, Direktor der «Registry of tumors in lower animals» der Smithonian Institution in Washington D.C. In diesem Register sind mehrere Dutzend Reporte über Krebs bei Haien dokumentiert.

Orale Einnahme ist völlig nutzlos

In seinem Buch schwärmt Lane von der Wirksamkeit des Haiknorpels nicht nur gegen Krebs, sondern auch gegen alle möglichen Leiden: Psoriasis (Schuppenflechte), diabetische Retinopathie (Augenveränderungen als Folge der Zuckerkrankheit), neovaskuläres Glaukom (erhöhter Augeninnendruck), Enteritis (entzündliche Veränderung der Darmwand), Arthritis undsofort.

Als Dosierung empfiehlt Lane einem Erwachsenen mit Durchschnittsgewicht, täglich um die 80 Gramm Haiknorpel-Pulver oral einzunehmen. Allerdings bemerkt Lane, die beste Wirkung erziele man bei einer analen Verabreichung. Er spricht von jeweils zwanzig Gramm in anderthalb Liter Wasser aufgelöstem Pulver, das täglich während 25 Minuten mit einem Schlauch eingeführt werde. Anal oder oral verabreicht: eine gesicherte Wirkung ist bis heute unbewiesen. Gänzlich unnütz ist die orale Einnahme. Dazu der Biochemiker Dr. Carl Luer, der am Mote Marine Lab in Sarasota (Florida/USA) seit fünfzehn Jahren in der Knorpelforschung arbeitet: «Bei oral verabreichtem Haiknorpel werden die Wirksubstanzen durch die Verdauung zerstört und Haipulver hat so keinerlei Wirkung.» Doch selbst wenn die Wirksubstanz durch die Magensäuren nicht zerstört würde, wäre eine Wirkung mehr als fragwürdig. Denn leider, so Luer, gebe es keinen logischen Grund anzunehmen, dass oral eingenommenes Haipulver den Tumor eines Krebspatienten finden und die Neubildung von Blutgefässen stoppen würde. Luer weiter: «Haiknorpel enthält nichts, was nicht auch in anderem tierischem Knorpel gefunden werden kann. Doch da Haie nahezu vollständig aus Knorpel bestehen, bieten sie sich als Quelle für dieses Pulver an.»

Carl Luer leugnet eine mögliche heilende Wirkung des Pulvers nicht prinzipiell. Er weist darauf hin, dass es zur Gewinnung der noch undefinierten Wirksubstanz eine «sehr grosse Menge» an rohem Knorpel brauche, der erst noch einer wochenlangen chemischen Prozedur unterworfen werden müsse, um diese Stoffe zu extrahieren. Erst dann und mit direkter Injektion an den Ort der Blutgefässneubildung könne bei im Verband wachsenden Tumoren unter experimentellen Bedingungen eine Neubildung der Gefässkapillaren gebremst werden.

Derzeit läuft in New Jersey (USA) unter der Leitung des Onkologen Charles Simone, unterstützt vom «Office of Alternative Medicine» OAM und mit Genehmigung der «Food and Drug Administration» FDA ein Forschungsprojekt. Abgeklärt werden soll damit die Wirksamkeit von Haiknorpel-Extrakt und ob er als Medikament zugelassen werden soll. Frühere Daten, so Simone, hätten gezeigt, dass in 34% aller Krebsfälle Verbesserungen gefunden worden seien. Jedoch sei es unklar, ob die positiven Resultat auf das Konto des Haipulvers oder auf die gleichzeitig verschriebene Diät gingen. Die FDA, die amerikanische Zulassungsbehörde für Medikamente, erlaubt die Anpreisung von Haiknorpel lediglich als Zusatznahrung, nicht aber als Medikament.

«Haifit»-Verkauf ist illegal

Sie heissen «Cartilade», «Haifit», «Haitin» oder «Hai-Acord». Allein in den USA sind unter Bezeichnungen wie «Country Life», «Now» oder «Puritan's Pride» gegen zwanzig Präparate auf dem Markt, die ganz oder teilweise aus Haiknorpelpulver bestehen. In Deutschland und in der Schweiz ist das Produkt «Haifit» das verbreitetste und wird im Prospekt als «biologische Spezialnahrung» angepriesen. Als Herstellerin bezeichnet sich die «Medisana Pharma» in Starnberg am See (Deutschland). In der Schweiz wird «Haifit» von «Ottikur-Meditech» in Mellikon AG verkauft. Laut Geschäftsführer Theodor Ott verkauft er in der Schweiz jährlich um die 4000 Kurpackungen. Die Preise dafür sind enorm: Ottikur verlangt für eine Kur zu 360 Gramm, verteilt auf dreissig Beutel, 150 Schweizer Franken.
Der Begleitprospekt verspricht «Hilfe für strapazierte Muskeln, Knochen und Gelenke». Wer «Haifit» zu sich nehme, werde versorgt mit «ganz speziellen Nährstoffen ... Hyaluronsäure, Aminosäuren ...». Das Knorpelpulver enthalte «alle Nähr- und Schutzstoffe für Knochen und Gelenke ...» Diese Anpreisungen sind laut der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel IKS (Schweizer Zulassungsbehörde für Medikamente) gesetzeswidrig. Dazu deren Sprecher Jean-Christophe Méroz: «Diese Heilmittelanpreisungen sind unzulässig. Die IKS wird die entsprechenden Schritte gegen diese Firma einleiten.» Der Umstand, dass zum Beispiel Ottikur in Mellikon auch das Buch von Lane verkauft, das Haiknorpel gegen Krebs propagiert, stellt in einigen Ländern - darunter der Schweiz - einen Verstoss gegen gesetzliche Bestimmungen dar. Denn mit dem Buch wird der Eindruck erweckt, man könne bei Ottikur und Medisana mit «Haifit» ein Heilmittel gegen Krebs kaufen. Ein solches wäre aber laut IKS eine «registrierungspflichtige pharmazeutische Spezialität». Auf Verlangen der IKS muss «Ottikur-Meditech» nun eine Dokumentation erarbeiten, in der u.a. die Wirksamkeit von «Haifit» nachgewiesen werden müsste. Laut dem aktuellen Stand der Forschung wird dieser Nachweis nicht möglich sein. Es ist weder eine abgesicherte Wirkung gegen Krebs, noch eine Wirkung gegen andere Krankheiten wie Arthritis oder Muskel- und Augenkrankheiten nachgewiesen. - Und bei oraler Einnahme, wie von «Ottikur-Meditech» und «Medisana Pharma» empfohlen, schon gar nicht.

Zwar beteuert sowohl Medisana-Geschäftsführer Gerd Rudolfi wie auch sein Vertreter in der Schweiz, Theodor Ott von Ottikur: «Wir preisen Haifit nicht als Heilmittel an, sondern nur als Nahrungsergänzung.» Doch Aussagen wie diese können nicht einfach geschluckt werden. Das bestätigt ein Statement von Theodor Ott: «Wir empfehlen bei starken Beschwerden wie etwa bei Arthrose oder bei grossen Schmerzen in Knien oder Hüften während zehn Tagen zwei bis drei Beutel zu nehmen. Dann setzt die Wirkung schneller ein.» Gerd Rudolfi ist mit seinen Äusserungen etwas vorsichtiger und verweist auf «Studien in den USA, wo Haiknorpel gegen Krebs eingesetzt worden ist.» Auch André Lorang, Inhaber der Firma Naturopan AG in Zug (Schweiz), die das Haiknorpelprodukt «Cartilade» auch für Deutschland und Österreich importiert, sagt, man müsse mit Heilanpreisungen vorsichtig sein und verweist auf «viele Studien». Sein Vertreter, Kurt Arnet jedoch verrät: «Im ganzen rheumatischen Formenkreis hat man mit Cartilade gute Erfolge.» Dass in Haiknorpel-Kreisen trotz gegenteiliger Aussage stets wieder auf eine angeblich heilende Wirkung des Pulvers hingewiesen wird, dokumentiert auch die Information von Theodor Ott über einen Arzt in Würenlos (Kanton Aargau, Schweiz), der das Pulver «seit Jahren in seiner Praxis braucht.» Nach gängiger Rechtspraxis müssen solche und ähnliche Aussagen klar als Verstoss gegen das Gesetz gewertet werden. Schon fast amüsant mutet diese Behauptung von Theodor Ott an: «Jetzt läuft bei der IKS auch das Zulassungsverfahren für Haifit als Heilmittel.» Jean-Christophe Méroz von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel IKS: «Davon wissen wir nichts.»

Medienschaffenden, die solche Machenschaften aufspüren und Haiknorpel-Vertreiber etwa unzulässiger Heilsversprechungen bezichtigen, werden von Gerd Rudolfi lautstark mit Drohungen überhäuft: Er habe in Deutschland «eine ganze Prozesslawine» ausgelöst, unter anderem gegen den Fernsehjournalisten Günter Jauch, der «Haifit» u.a. als «Pseudo-Arzneimittel» bezeichnet habe.

Ottikur und Medisana warten mit an den Haaren herbeigezogenen Dosierungsvorschriften auf. Verkauft wird eine 30-Tage-Kur. Die 360 Gramm «Haifit»-sollen in täglichen Portionen von 12 Gramm eingenommen werden - oral. Wie lange eine «Kur» dauern und wie häufig sie wiederholt werden soll, darüber schweigen sich die Anbieter aus. Der amerikanische Chirurg J.F. Prudden behandelte seine Patienten über Monate bis Jahre. Die beschriebenen behaupteten Heilerfolge konnten auch dann nicht nachvollzogen werden. Zwar reitet die Haiknorpel-Industrie auf der Welle von William Lane's Behauptungen, sie operiert jedoch mit Dosierungen, die um das Siebenfache unter seinen Empfehlungen liegen. Im Klartext: sowohl Dosierungsangaben wie Heilversprechungen sind pure Scharlatanerie.

Gerd Büschel von der «Arbeitsgruppe Biologische Krebstherapie» weist auf ein Phänomen und auf Gefahren hin: «Man weiss, dass es in diesem Bereich einen Placeboeffekt von bis zu achtzig Prozent gibt. Wenn man jemandem, der in einer verzweifelten Situation steckt, hoffnungsvoll eine Massnahme darstellt und ihn 14 Tage später fragt, wie es ihm gehe, wird er mit grösster Wahrscheinlichkeit sagen: es geht besser. Wenn das Mittel überdies noch relativ teuer ist und er es selber bezahlen muss, wird es nochmals schwieriger zu sagen, das ist alles Mist. Ausserdem: Die Hauptnebenwirkung von vielen unkonventionellen Mitteln wie dem Haiknorpel-Extrakt, ist, dass viele Patienten manche andere wichtigen Massnahmen versäumen.»

Das Pulver dezimiert die Haie

Gerd Rudolfi von «Medisana Pharma» in Starnberg sagt es unüberhörbar laut: «Es ist einfach lächerlich, uns als Abschlachter von Haien zu bezeichnen! Wegen uns wird kein einziger Haifisch gefangen!» Die gleiche Botschaft verbreiten Theodor Ott und seine Frau. Sie liefern ihren Kunden einen Zeitschriftenartikel von Florentine Andreas, der mit dem Satz beginnt: «Tierfreunden und Tierschützern sei's gleich zu Anfang gesagt: Kein einziger Hai muss eigens dafür sterben.» Noch weiter geht «Cartilade»-Importeur André Lorang: «Unser heiliges Versprechen an jeden, der Knorpel nimmt, ist, dass wir nicht auf die Jagd nach Haifischen gehen. Hier geht es um die Ethik unserer Firma.»

Leider leistet sich hier die Branche einen Meineid. Zur Herstellung von «Haifit» werde lediglich Beifang verwendet. Das stimmt nicht. Laut Johel Jimenez vom «Tropical Conservation News Bureau» werden zum Beispiel in Costa Rica Haie gezielt wegen des Knorpels gefangen. Dies entgegen der Versicherung von «Cartilade»-Vertreiber André Lorang, der sich nach eigener Aussage in Costa Rica habe bestätigen lassen, dass seinetwegen keine Haie getötet würden. Denn «Cartilade» stammt laut André Lorang ausschliesslich aus Costa Rica und «manchmal auch aus Panama oder Nicaragua oder Taiwan».
Woher der Knorpel stammt, der laut Gerd Rudolfi in München zum «Haifit» verarbeitet wird, will der Medisana-Geschäftsführer nicht sagen. Er gibt als Quelle Spanien und Portugal an. Überprüfbar, ob seine Beteuerung stimmt, dass dort die Haie nicht speziell fürs Pulver gefangen werden, ist seine Aussage deshalb nicht. André Lorang vermutet, dass die Knorpel seines Starnberger Konkurrenten gar nicht aus der Umgebung der Iberischen Halbinsel kommen, sondern aus Neuseeland. Die Insel am andern Ende der Welt gehört laut den Vertreibern zusammen mit Japan zu einem weiteren wichtigen Knorpellieferanten.

Dass der Haiknorpel von Tieren aus dem Beifang stamme, dieses Argument hat einen heuchlerischen Aspekt. Eigentlich müsste es heissen: die Haiknorpelindustrie profitiert hier vom Töten anderer. Laut FAO (Landwirtschafts- und Ernährungs-Organisation der UNO) wird jedes Jahr die ungeheure Zahl von 1,3 Millionen Tonnen Haie gefangen. Beinahe die Hälfte davon ist Beifang - vor allem aus der Thunfischerei. Beifang ist es, der auch in die Haiknorpelfabrikaion wandert. Solange es einen Markt dafür gibt, so lange wird sich die Fischerei-Industrie kaum Mühe geben, Methoden zu entwickeln, die diese Verschwendung von Leben und Lebewesen verkleinern oder gar verhindern. Haiknorpel-Hersteller müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, Beihilfe zum grossen Töten zu leisten und dieses Töten mit einem nutzlosem Produkt zu rechtfertigen.

Beispiel Costa Rica

Die «Shark Technology of Costa Rica» in Puntareanas, weltweit eine der wichtigsten Lieferantinnen von Haiknorpel, verarbeitet laut eigenen Angaben jeden Tag über 200 Haie. Die Zahl stammt aus dem Jahre 1994; aktuelle Informationen fehlen. So ist davon auszugehen, dass es in der Zwischenzeit weit mehr Haie sind.

Dabei werden sämtliche Teile des Tieres verwendet. Doris Hax von der «Gesellschaft zum Schutz der Haie» hat beobachtet, dass auch sackweise abgeschnittene Flossen zur Verarbeitung angeliefert werden. Dies deutet daraufhin, dass für die Haiknorpelherstellung auch «Finning» betrieben wird. Buchautor Lane sagt, dass die beste Wirkung aus dem Knorpel der Flossen erzielt werden könne. Beim «Finning» schneiden die Fischer den Haien die Flossen bei lebendigem Leib weg.

In der Verarbeitung kommen die Knorpel in ein Chlorbad, um sie vom Fleisch zu befreien. Laut Luis Mena, Direktor des Unternehmens, braucht es zur Herstellung von 7000 Kilogramm getrocknetem Knorpel etwa 350 ,000 Kilo Hai, was fast 6000 Tieren entspricht. Ein Grossteil der verarbeiteten Haie ist laut Johel Jimenez vom «Tropical Conservation News Bureau» noch nicht geschlechtsreif. Diese Tatsache birgt die Gefahr einer ökologischen Katastrophe mit unabsehbaren Folgen in sich: Haie stehen als Super-Räuber zuoberst an marinen Nahrungsketten und spielen deshalb für das ökologische Gleichgewicht der Meere eine Schlüsselrolle. Werden zuviele Haie gefangen und die Vermehrung durch das Landen juveniler Tiere verhindert, droht der Kollaps - weil es so immer weniger Nachwuchs produzierende Tiere gibt. Wie in vielen andern Ländern stehen auch die Haipopulationen von Costa Rica wegen Überfischung kurz vor dem Zusammenbruch. Umweltschützer vermuten, dass in Costa Rica jedes Jahr bis zu 200 000 Haie gefangen werden. «Cartilade»-Importeur André Lorang, dessen Knorpelpulver vorwiegend aus Costa Rica stammt, verschickt sein Haipulver mit einem eigenhändig verfassten «Zertifikat». Darin steht ein Satz, der in völligem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Haiforschung steht: «In vielen Teilen der Welt werden Haie regelmässig gefangen und gehören keinesfalls zu den gefährdeten Fischarten.» Das in Costa Rica dort fabrizierte Knorpelpulver wird fast ausschliesslich in die USA geliefert, wo es auch für den europäischen Markt zu Pillen verarbeitet wird. Die Flossen der in in diesem zentralamerikanischen Staat und auch anderswo gefangenen Tiere werden im Fernen Osten zudem zusätzlich zu Aphrodisiaka verarbeitet - angeblich potenzsteigernden Mittelchen. Die «Shark Technology of Costa Rica» erhielt 1992 von der Regierung den ersten Preis für das «innovativste Export-Unternehmen».

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info



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modifiziert: 04.06.2016 11:48