Von Dr. A. J. Godknecht
1996 starteten der WWF und Unilever ein
gemeinsames Projekt, das die Erhaltung der Produktivität der Meere zum Ziel hatte. Das Resultat dieses
Projektes war die Gründung des Marine Stewardship Council (MSC) im Februar 1997.
Das Marine
Stewardship Council (frei übersetzt: Rat der Verwalter der Meere) ist eine unabhängige,
internationale Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Ressourcen der Meere zu erhalten und
sich für die nachhaltige Bewirtschaftung dieser Ressourcen einzusetzen (siehe Kasten: Mission des
MSC). Das MSC ist jedoch nicht mit einer Naturschutzorganisation im eigentlichen Sinn zu verwechseln,
denn es hat primär wirtschaftliche Interessen. Diese Interessen haben jedoch auch einen starken
naturschützerischen Aspekt.
Die Basis für die Schaffung des MSC waren die folgenden Überlegungen:
Die Fischreserven unserer Meere zählen zwar zu den erneuerbaren Rohstoffen, sie sind jedoch weder
unerschöpflich noch unzerstörbar und müssen entsprechend vorsichtig und nachhaltig bewirtschaftet
werden.
Der Ausdruck «Fisch» wird in diesem Zusammenhang nicht ausschliesslich für klassische
Knochenfische wie Lachs, Hering, Thunfisch oder Makrele benutzt, sondern steht für alle kommerziell
genutzten Tiere der Meere. Unter dem Sammelbegriff Fisch tummeln sich so verschiedene Tierklassen wie
Haie, Hummer, Langusten und Shrimps oder Austern, um nur einige zu nennen.
Um eine nachhaltige
Bewirtschaftung der marinen Ressourcen zu garantieren, ist es unabdingbar, dass alle Glieder in der
Kette der Fischverarbeitung in die Erhaltung der globalen Fischbestände eingebunden werden. Die
beteiligten Parteien sind die kommerzielle Fischerei, die fischverarbeitende Industrie und Endabnehmer
wie Restaurants oder der Fisch-Detailhandel. Doch auch die Regierungen sind angesprochen. 1982 nahmen
alle Küstenstaaten die Konvention der Vereinigten Nationen über das «Gesetz der Meere» an. Da etwa 95%
der weltweiten Fischerei in den nationalen 200 Meilen Zonen dieser Staaten betrieben wird, haben diese
das Recht über, aber auch die Verantwortung für die Fischressourcen in ihren nationalen Gewässern
übernommen.
Das MSC bietet allen Parteien - auf freiwilliger Basis - die Möglichkeit, seine
Fischereistandards zu übernehmen. Diese Standards (siehe Kasten) wurden 1997 in internationalen
Workshops , bei denen die unterschiedlichen Interessensgruppen vertreten waren, diskutiert und
verabschiedet. Die Standards sind jedoch nicht statisch, sondern werden laufend den Erfordernissen
angepasst.
Die Annahme der Standards des MSC kann auf zwei Arten geschehen.
Die Unterzeichnung ist kostenlos. Ein Unterzeichner der Standards des MSC
akzeptiert und bekennt sich damit öffentlich zu den Standards des MSC. Die Liste der «Signatories»
kann auf den Internet-Seiten des MSC (www.msc.org) jederzeit
eingesehen werden. Ein Beispiel eines Unterzeichners ist der Migros Genossenschaftsbund, die
grösste Schweizer Einzelhandelskette. Aufgrund
seiner ethischen Richtlinien, dem Druck der Konsumenten, aber auch als Folge der Annahme der MSC
Standards nahm der Migros Genossenschaftsbund ab dem 1. Februar 2000 sämtliche Hai-Produkte aus seinem
Sortiment.
Weitere Beispiele der momentan ca. 125 «Signatories» sind neben fischverarbeitenden Firmen
und internationalen Organisationen der Bundesverband der deutschen Fischindustrie, die Gewerkschaft
Nahrung-Genuss-Gaststätten (Deutschland), die Verbraucherzentrale (Deutschland) und die Nordsee GmbH
(Deutschland).
Das Zertifizierungsprogramm des MSC ist laut James Bell vom MSC
primär für die fischverarbeitenden Industrien konzipiert. Eine solche fischverarbeitende Industrie
kann sich durch vom MSC akkreditierte Zertifizierungs-Agenturen, ähnlich CE, ISO 9001 oder dem grünen
Punkt, zertifizieren lassen. Eine Zertifizierung kostet 750 US Dollar (ca. 1270 CHF oder 810 Euro),
Folgekosten nicht mit eingerechnet. Je nach Grösse der untersuchten Industrie dauert der
Zertifizierungsprozess bis zu einem Jahr und beinhaltet unter anderem öffentliche Anhörungen, Besuche
durch Expertenteams, Analysen der Management Strukturen und die Begutachtung der Untersuchung durch
eine unabhängige Expertenkommission.
Die Einhaltung der MSC Standards wird in jährlichen Revisionen
geprüft und alle 5 Jahre muss der gesamte Zertifizierungsprozess wiederholt werden.
Das MSC ist eine
vergleichsweise sehr junge Organisation und da die Zertifizierung zudem auf freiwilliger Basis
erfolgt, gibt es für sie erst zwei grössere Beispiele, die der westaustralischen Hummer und der
«Thames» Hering Fischerei Englands. Ein drittes wird voraussichtlich die Lachsfangindustrie Alaskas
werden. Das MSC schätzt, dass derzeit weltweit zirka 15 bis 20 Fischerei-Industrien in den frühen
Phasen der Zertifizierung stehen. Das MSC kann hier nur eine Schätzung vorlegen, da die Industrien
vertraulich an die Zertifizierungs-Agenturen herantreten und das MSC in den frühen Phasen noch nicht
informiert werden muss.
Da sich offensichtlich erst wenige Fischerei-Industrien um eine Zertifizierung
bemüht haben, werden Detailpunkte der Standards noch von Fall zu Fall, der Situation entsprechend,
angepasst. Das MSC arbeitet zur Zeit jedoch an allgemeingültigen Standards, die von den beauftragten
Agenturen angewandt werden können.
Wird nach MSC Kriterien und MSC zertifiziert gefischt, so können
die anderen Glieder der Kette bis zum Konsumenten, die fischverarbeitende Industrie, Restaurants und
der Detailhandel von dieser Zertifizierung profitieren. Sie müssen nur noch nachweisen können, dass
ihre Produkte ausschliesslich von zertifizierten Herstellern stammen.
Haifänge werden laut MSC bei der
Zertifizierung nicht direkt berücksichtigt. Sie fallen jedoch unter Prinzip 2 der MSC Standards:
«Die Fischerei muss auf eine Art betrieben werden, dass die Struktur, Produktivität, Funktion und
Vielfalt des Ökosystems, von dem die Fischerei abhängig ist, erhalten bleibt. Dies schliesst
den Lebensraum sowie ökologisch verbundene Arten mit ein». Haie in Beifängen werden vom Prinzip 3
(Kriterium B, siehe Kasten) abgedeckt.
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Das MSC-Logo klebt bei uns noch auf keiner Büchse, ziert noch keine Auslage eines Fischladens und man
kann es auch noch auf keiner Speisekarte finden. Doch das MSC ist jung. Obwohl erst sehr wenige
fischverarbeitende Firmen und Industrien in der Liste der Unterzeicher auftauchen, und sich noch
weniger einer effektiven Zertifizierung unterworfen haben, verspricht der vom MSC eingeschlagene Weg
Erfolg. Das MSC versucht nicht sein Ziel mit immer mehr Gesetzen, Regulationen und Direktiven zu
erreichen, sondern rechnet mit den Mechanismen des Marktes und damit der Macht der Konsumenten.
Betrachtet man den Erfolgszug der ISO oder CE Zertifizierung, die ebenfalls auf freiwilliger Basis
geschieht, so hat der Weg des MSC grosses Potential.
Sobald eine gewisse kritische Masse an
Fischereiindustrien zertifiziert ist, können die anderen Glieder der Kette sich ebenfalls
zertifizieren und das MSC-Logo als Gütesiegel tragen. Dann liegt es bei den Konsumenten, ob sie
Produkte von Firmen wählen, die sich zu den MSC Standards zur nachhaltigen, verantwortungsbewussten
und ökologisch sinnvollen Bewirtschaftung der Meere bekannt haben.
Shark Info und die Hai-Stiftung haben eine Aktion gestartet, um dem Migros Genossenschaftsbund zu
seinem mutigen und wegweisenden Schritt, alle Hai-Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, zu gratulieren
und ihn in seiner Entscheidung zu bestätigen. Sie können der Abteilung Umwelt/Ethik der Migros von den
Web-Seiten von Shark Info aus eine E-Mail schicken. Bitte gehen Sie hierfür auf die Web-Seite:
Aktionen. Je mehr E-Mails desto besser!
Das MSC fördert die verantwortungsbewusste, umweltgerechte, sozialverträgliche und
ökonomisch sinnvolle Fischerei. Die Biodiversität (Vielzahl der Arten), die Produktivität und
die ökologischen Prozesse der Meere sollen durch folgende Massnahmen geschützt werden:
- Die Erhaltung der Fischpopulationen und des marinen Ökosystems, in dem sie leben.
- Die Förderung verantwortungsbewussten Fischens für den
Erhalt der globalen Fischpopulationen und die allgemeine Gesundheit der Meere.
- Schaffung und Förderung einer breiten Palette von Kriterien zur nachhaltigen Befischung.
Prinzip 1
Die befischten Populationen dürfen nicht überfischt werden und die Fischerei darf nicht zu einer Reduktion
der Populationsgrösse führen. Werden durch die Fischerei schon negativ beeinflusste Populationen
befischt, muss in einem Masse gefischt werden, dass sich die Populationen wieder erholen können.
Kriterien:
- Es muss auf eine Weise gefischt werden, dass eine hohe Produktivität der befischten
Art garantiert bleibt, keine mit der befischten Art ökologisch verbunden Arten negativ beeinflusst
werden und die Fangmenge muss in Relation zur Produktivität der Art stehen.
- Eine bereits
überfischte Art muss auf eine Weise befischt werden, dass sie sich wieder bis zu einem definierten
Niveau erholen kann. Dieses Niveau muss vorsichtig für einen spezifizierten Zeitraum gewählt werden
und soll eine langfristige Nutzung der Art garantieren.
- Durch die Befischung dürfen weder die
Altersstruktur, die genetische Struktur oder die Geschlechtszusammensetzung so beeinflusst werden,
dass die Reproduktionsraten der befischten Populationen sinken.
Prinzip 2
Die Fischerei muss auf eine
Art betrieben werden, dass die Struktur, Produktivität, Funktion und Vielfalt des Ökosystems, von dem
die Fischerei abhängig ist, erhalten bleibt. Dies schliesst den Lebensraum sowie ökologisch verbundene
Arten mit ein.
Kriterien:
- Die Fischerei darf die natürlichen, funktionellen Vernetzungen von
Arten nicht stören. Sie darf nicht zu Änderungen in der Nahrungskette führen.
- Die Fischerei darf
die Artenvielfalt weder auf genetischer Ebene noch auf dem Art- oder Populationsniveau bedrohen. Die
Tötung oder Verletzung gefährdeter, bedrohter oder geschützter Arten muss vermieden oder zumindest
minimiert werden.
- Durch die Befischung dürfen weder die Altersstruktur, die genetische Struktur
oder die Geschlechtszusammensetzung so beeinflusst werden, dass die Reproduktionsraten der befischten
Populationen sinken (siehe Prinzip 1, Kriterium 3).
Prinzip 3
Die Fischerei muss effizient geführt und
überwacht werden. Das Management respektiert lokale, nationale und internationale Gesetze und schafft
Strukturen, die eine verantwortungsbewusste und langfristige Nutzung der befischten Ressourcen
garantiert.
Ziel von Prinzip 3 ist, dass Strukturen geschaffen werden, die es ermöglichen, Prinzip 1
und 2 zu implementieren, entsprechend der Grösse und des Umfangs der Industrie.
A. Management Kriterien (Zusammenfassung)
Die 11 Management Kriterien behandeln unter anderem die Einhaltung
internationaler Übereinkünfte, den Informationsfluss innerhalb der Industrie und zwischen beteiligten
Industrien, kulturelle Gesichtspunkte, periodische Überprüfung der Bestände und effiziente
Entscheidungsstrukturen.
B. Operationelle Kriterien (Zusammenfassung)
Die 6 operationellen Kriterien
beschäftigen sich mit der effektiven Art der Befischung.
So muss zum Beispiel auf eine Art und Weise
und mit Material gefischt werden, dass weder andere Arten, noch zu kleine, zu junge oder Individuen
des falschen Geschlechts gefangen werden. Beifänge müssen so gut als möglich vermieden werden und
möglichst lebend wieder ins Meer zurückgeworfen werden (dieser Punkt ist zum Beispiel sehr wichtig in
Bezug auf Haie, Anm. der Redaktion). Fischen mit Explosivstoffen oder Giften ist gänzlich untersagt.
Die Prinzipien des MSC sind detailliert auf dessen Web-Seiten
(www.msc.org) publiziert.
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* Dr. Alexander Godknecht ist Biologe,
Präsident der Hai-Stiftung/Shark Foundation und
Mitglied der Shark Info Redaktion. Er arbeitet am Zentrum Informatikdienste der
Universität Zürich.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. A. J. Godknecht
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