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Shark Info   (15.06.2001)

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  Intro:

Der Untergang der traditionellen Haifischerei

Shark Info

  Hauptartikel:

Der Untergang der traditionellen Haifischerei

Shark Info

  Artikel 1:

Fischerei, Flossen und weltweit fast keine Regelungen

Shark Info

  Artikel 2:

Telefonumfrage der Naturschutzorganisationen WildAid und Earthcare in Hong Kong und Taiwan

Shark Info

  Artikel 3:

Haiunfall-Serie in Florida: Fakten und Hintergründe

Dr. E. K. Ritter

  Fact Sheet:

Schwarzspitzenhai

Dr. E. K. Ritter


Der Untergang der traditionellen Haifischerei

Bericht Shark Info

Nach Angaben der FAO (Food and Agriculture Organization) werden jährlich weltweit rund 800000 Tonnen Haie gefangen und getötet. Hauptverantwortlich dafür sind relativ wenige Länder wie die USA, Indien oder Taiwan. Diese Länder fischen mehr als 9000 Tonnen pro Jahr. Wo ihre Fangflotten auftauchen, hinterlassen sie nichts weiter als Öde und Leere.
Doch nicht nur die Meere sind davon betroffen, sondern auch viele Menschen, die sich seit Generationen von der traditionellen Haifischerei ernähren und sich nun einem Problem gegenüber sehen, dem sie nichts entgegensetzen können.

Länder, die mehr als 9000 Tonnen Haie jährlich fangen:

Argentinien, Brasilien, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Malaysia, Malediven, Mexiko, Neuseeland, Pakistan, Portugal, Spanien, Südkorea, Sri Lanka, Taiwan, USA

Mexiko: 80% der gesamten Fangmenge Mexikos stammen aus der traditionellen Fischerei. Die meisten Fischer sind jedoch nicht nur vom Verkauf abhängig, Haifleisch ist auch ihre primäre Nahrungsgrundlage. Einem Bericht der WildAid zu folge, sind nicht nur die Fischer Mexikos von diesem Problem betroffen, sondern auch die anderer Länder.

Finning

Ein Junghai wird gefinnt. Finning ist weltweit verbreitet und einer der Hauptgründe für den Rückgang der globalen Haibestände.

© D. Perrine / Hai-Stiftung

Indien: In den abgelegenen Regionen von Pradesh und Tamil Nadu wurden in der traditionellen Fischerei Fangrückgänge von 70% registriert. Der Grund dafür sind Longline-Fischer, die ohne Rücksicht auf andere Bedürfnisse die Meere leer fischen. Gesetze verbieten zwar in einzelnen Regionen solche Praktiken, es gibt aber keine Möglichkeit diese Überfischung zu verhindern, da die Finanzen fehlen, die Gewässer zu kontrollieren.
Nicht nur fremde Flotten plündern die Meere um Indien, sondern auch die eigenen. In Chennai (Madras) alleine gibt es ein Dutzend Firmen, die Haiflossen vorwiegend in den asiatischen Raum wie Hong Kong, Taiwan und Singapur exportieren. Auch diese Händler sehen sich durch einen steten Rückgang der Haifänge bedroht. In einem Interview gegenüber WildAid äusserte ein Händler, dass er vor nicht allzu langer Zeit drei Tonnen Haiflossen mit einer einzigen Fahrt zu zwölf lokalen Haifischerei-Dörfern sammeln konnte. Heute benötigt er dafür etwa 300 Fahrten. Dieser Händler verarbeitet vorwiegend Schwarzspitzenhaie (Carcharhinus limbatus) und Hammerhaie (Sphyrna Arten).
Erstaunlich ist, dass während die traditionelle Fischerei vor dem Zusammenbruch steht, indische Regierungsstellen 1997 ein Programm für die industriegerechte Haiflossenverarbeitung ins Leben riefen, um international besser konkurrieren zu können. Indien ist die grösste Haifischerei Nation der Welt und fischt jährlich über 130000 Tonnen. Das entspricht 16% der weltweiten Fänge. Die indische Regierung verlangt weder eine Fangzahlstatistik der einzelnen Reedereien, noch hat sie einen Plan für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Haibestände in ihren Hoheitsgewässern.

Kenia: Die traditionellen Fischer Mexikos und Indiens sind nicht die einzigen, die vom Rückgangg der Haibestände betroffen sind. Ein Untergang der traditionellen Fischerei ist unabwendbar und viele Menschen werden den Gürtel noch enger schnallen müssen. So auch in Ngomeni, einem Fischerdorf im Norden von Kenia. Der Fang einer Nacht reichte bis anhin aus, um das ganze Dorf zu versorgen und zudem noch Haie an andere Dörfer verkaufen zu können. Nachdem Longliner und Trawler die Gegend im Juli 1999 abfischten, reichte ein Fang nicht mal mehr um das Dorf zu versorgen. Mindestens 20 Trawler wurden in unmittelbarer Nähe von Ngomeni gesichtet, die mit einer Maschenweite von 3 bis 5 cm fischten. Mit einer solch geringen Maschenweite wird eine Region nahezu total abgefischt. Demgegenüber benutzen Fischerleute von Ngomeni eine Maschenweite von 20 bis 23 cm. Ein Fischer gab zu Protokoll, dass er in der Mitte der 80er Jahre rund 150 kg Hai pro Tag verkaufen konnte, Mitte der 90er Jahre waren es noch 2 kg pro Tag. Die kenianische Regierung stand der Situation nicht tatenlos gegenüber und erliess ein Gesetz, das ausländischen Trawlern verbietet, in einer fünf Meilen Zone vor der Küste zu fischen, für Longliner gilt eine 200 Meilen Zone. Doch scheinen sich die Fischereiflotten nicht darum zu kümmern, um so mehr, da es auch der kenianischen Regierung an Geld und Personal fehlt, ihre Hoheitsgewässer effizient zu kontrollieren und Übertretungen zu ahnden.
Bei den sehr vereinzelten Kontrollen täuschen die Trawler meistens die Kontrolleure, und zeigen ihnen grossmaschige Netze. Für die eigentlichen Fänge werden jedoch wieder feinmaschige Netze eingesetzt, wie Augenzeugen berichteten.
Auch in Malindi, einem weiteren traditionellen Fischerdorf Kenias zeigt sich dasselbe Bild. Haie und Fische müssen aus Mombassa eingeführt werden, um ein Überleben des Dorfes zu garantieren.

Kongo: In Kongo wurde diesen Sommer ein vorläufiges, generelles Haifang-Verbot erlassen. In einem Schreiben informierte Minister Djombo Industriebetriebe und traditionelle Fischer über dieses Verbot und kündigte empfindliche Geldbussen für eine Missachtung des Verbots an. Der Zustand der Haipopulationen von Kongo ist vor allem durch das enorm gestiegene Interesse asiatischer Länder an Haiflossen in einem sehr bedenklichen Zustand. Einige traditionelle Fischer denken jetzt darüber nach, die Fischerei ganz aufzugeben, denn ein Umstieg auf andere Arten wie Sardinen würde sich für sie nicht lohnen.

Südafrika: In Südafrika sind die meisten Haibestände wahrscheinlich bereits so stark überfischt, dass die Individuenzahl unter die biologisch notwendige Grenze zur Erhaltung der Bestände gesunken ist.
Südafrika gilt als ein wichtiges Zentrum für «Finning». Quantitative Angaben aus diesen Regionen sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln, wie aus vertraulicher Quelle zu erfahren war. Die Fangzahlen werden frisiert, um Zölle und Abgaben zu umgehen. Südafrika händigt jährlich 85 Lizenzen an japanische Longliner und 24 taiwanesische Longliner aus, um in ihrer EEZ (Exklusive ökonomische Zone) zu fischen. Diese Fangschiffe müssen zwar ihre Fangstatistiken bekannt geben, um die Lizenzen zu erneuern, doch entsprechen die Zahlen nicht den wahren Mengen, wie auch offiziellen Angaben zu entnehmen ist.

Computersimulationen

Der Erhalt von Haipopulationen ist wichtig, wenn verhindert werden soll, dass ein lokales Ökosystem zusammenbricht und alle sich darin befindenden Tiergruppen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Dass solche Zusammenhänge auch durch Computersimulationen berechnet werden können, zeigen neueste Forschungsergebnisse. Wissenschafter haben ein Computerprogramm namens ECOSIM entwickelt, das es ermöglicht, Zusammenhänge, die ein Ökosystem über längere Perioden beeinflussen, zu studieren.

ECOSIM wurde mit den Daten von drei verschiedenen, realen Ökosystemen gefüttert: a) einer Schelfregion vor Venezuela; b) einem Korallenriff in Hawaii und c) einer Freiwasserzone im nördlichen Pazifik.

Dabei zeigte sich für das Modell der Schelfregion Venezuelas, dass zwei der wichtigsten Beutefische der Haie zunahmen, als die Haidichte vermindert wurde, und dass es danach zu einer signifikanten Zunahme nicht unmittelbar betroffener Beutefische kam.

Ein sehr ernüchterndes Bild ergab das Modell von Hawaii, als die Tigerhaie aus dem Modell entfernt wurden. Die unmittelbare Folge war, dass Riffhaie, Schildkröten, Seevögel, bodenlebende Fische und andere Arten schnell zunahmen, die Bestände der Thunfische und Makrelen jedoch vollständig zusammenfielen. Der primäre Zusammenhang waren die Seevögel. Tigerhaie sind eine der wenigen Haiarten, die sich auch von Seevögeln ernähren. Seevögel wiederum ernähren sich von jungen Thunfischen und Makrelen. Ebenso sind Thunfische und Makrelen verantwortlich für die Dichte der bodenlebenden Fische, die ihrerseits nun nicht mehr gefressen wurden.

Auch das letzte Modell in der nördlichen Pazifikregion zeigte vergleichbare Resultate, als die Haidichte reduziert wurde. Auch dort nahmen einzelne Tiergruppen drastisch an Zahl zu, gefolgt von einer langsamen, aber stetigen Abnahme anderer.

Die FAO (Food and Agricultural Organization; Welternährungsorganisation) hat die Bedrohung von vielen weltweiten Fisch- und Haibeständen erkannt und einen Verhaltenskodex für die nachhaltige Befischung der nationalen Bestände erstellt. Betroffenen Ländern wird darin nahegelegt, den geplünderten Haibeständen durch einen Bewirtschaftungsplan die Möglichkeit zu geben, sich wieder zu erholen.

Die Zeichen sind deutlich und der Überfischung der Haie muss entgegengetreten werden. Nur so kann verhindert werden, dass immer mehr Landstriche, die sich seit Jahrhunderten von der traditionellen Fischerei ernähren, zu Grunde gehen.

Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info



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modifiziert: 04.06.2016 11:48