Von Dr. Alexander J. Godknecht
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Der Dornhai (Squalus acanthias). Bedrohter Lieferant
von Schillerlocken und Seeaal.
© Shark Info / J. Brümmer
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Der gewöhnliche Dornhai,
wissenschaftlich Squalus acanthias, ist bei uns sicherlich ebenso bekannt
wie seine grösseren Verwandten, die Weissen Haie, Makos oder Tigerhaie. Wir
kennen ihn allerdings besser unter seinen kulinarischen Synonymen wie
«Schillerlocke», «Seeaal», «Kalbfisch»,
«Seestör» oder als den «Fish» von «Fish &
Chips». Er erscheint hauptsächlich geräuchert, aber auch
gedünstet oder gekocht auf unseren Speisekarten, und nur wenigen ist
bewusst, dass es sich bei dem «Fisch» auf unserem Teller um einen Hai
handelt.
«Geniessen» Sie Ihre letzten Schillerlocken, denn bald werden
unsere Speisekarten ein paar Zeilen kürzer und unsere Küche um ein
paar Fischgerichte ärmer sein. Die Schillerlocken und der Seeaal werden
verschwinden wie der Dodo und die Riesenschildkröten. Bald werden wir die
letzten einfach aufgegessen haben.
An den Dornhai-Beständen wird seit Jahren Raubbau
betrieben. Die Dornhaie für unsere Küchen kommen schon lange nicht
mehr aus ihren europäischen Verbreitungsgebieten, dem östlichen
Atlantik, der Nord- oder Ostsee, dort werden sie meistens nur als Beifang
gelandet. Die qualitativ besten Dornhaie kommen aus Übersee. Frisch oder
tiefgekühlt werden sie per Flugzeug zum Beispiel von der Ostküste der
USA und Kanadas eingeflogen. Allein Deutschland importierte bis 1998
jährlich durchschnittlich 1 700 Tonnen Dornhai aus den USA. Doch diese
Tonnagen sind trügerisch und sie gehen bedenklich zurück.
Eine konstante Fangquote gilt als Indiz für intakte
Bestände, so argumentieren zumindest viele Fischereibehörden, die es
eigentlich besser wissen sollten. Eine bestimmte Tonnage setzt sich jedoch immer
aus Individuen zusammen und ist direkt von deren Grösse und Gewicht
abhängig. So entsprechen 1 700 Tonnen rund 740 000 Dornhaien.
Bis anhin fingen die Dornhaifischer in den USA selektiv. Die
Maschenweite ihrer Netze bestimmte hierbei die Grösse der gefangenen Tiere.
Nur so konnten sie den Ansprüchen des Marktes gerecht werden, für den
ein «richtiger» Dornhai im Durchschnitt 2.3 kg wiegt und etwa 83 cm
lang sein sollte (dies entspricht einem durchschnittlich grossen,
geschlechtsreifen Weibchen).
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Frischer Seeaal und Schillerlocken. Bald werden sie eine Rarität sein.
© Shark Info / J. Brümmer
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Doch was passiert, wenn
diese Grösse nicht mehr geliefert werden kann? Es wären keine rechten
Fischer, wenn sie die Nachfrage nicht voll ausnutzen würden, denn
schliesslich leben sie ja vom Verkauf ihrer Fänge. Man lässt also 3
gerade sein und beliefert den Markt mit entsprechend mehr, aber kleineren
Exemplaren. Die Folgen sind beunruhigend, «
wo früher eine
Dornhai-Seite für eine Schillerlocke genügte, müssen wir heute
oft 2 Seiten ineinander verdrehen, um die erforderliche Marktgrösse
erreichen zu können
» klagt zum Beispiel Jens Brümmer von
der norddeutschen Fisch-Räucherei G. F. Wendt GmbH. «
diese
Methode kann beim Seeaal natürlich nicht angewendet werden und es werden
oft entsprechend kleinere Exemplare am Markt angeboten».
Bei einer um 20% geringeren Durchschnittsgrösse
müssen 185 000 Dornhaie mehr gefangen werden, nur um die 1 700
Tonnen für den deutschen Markt zu erreichen. Kleinere Fanggrössen
bedeuten zudem, dass vermehrt junge, noch nicht geschlechtsreife Tiere gefangen
werden. Dies ist für Haie besonders kritisch, denn entgegen der
gängigen Meinung sind Haie nicht mit den Fischen verwandt und haben eine
ganz andere Fortpflanzung und Lebensweise. Haie bringen nicht Tausende, sondern
2, 4, vielleicht 10, sehr wenige Arten 20, Junge zu Welt. Hinzu kommt die
wesentlich längere Schwangerschaft und Zeit bis zur Geschlechtsreife.
Ausgerechnet die Dornhaie haben wohl eine der schlechtesten Voraussetzungen in
dieser Hinsicht. Sie haben zwar ca. 20 Nachkommen pro Wurf, doch wird die
Geschlechtsreife erst zwischen 20 und 30 Jahren erreicht, und eine
Schwangerschaft dauert jeweils 22 Monate (Literaturhinweise im Fact Sheet dieser
Ausgabe). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier gefangen wird, bevor es auch nur
einmal Nachkommen produzieren konnte, ist entsprechend hoch. Doch gerade dieses
«einmal Junge bekommen» ist die biologisch wichtigste Voraussetzung
für den Weiterbestand einer Art.
Noch weit gravierender wirkt sich ihr Gruppenverhalten aus.
Dornhaischwärme treten
meist geschlechtsgetrennt auf, also in Schwärmen von ausschliesslich
Weibchen oder ausschliesslich Männchen. Ein einziger Fischzug kann alle
geschlechtsreifen oder bereits schwangeren Weibchen eliminieren.
Schon heute ist offensichtlich, dass die
importierten Dornhaie nicht nur kleiner werden, sondern es werden auch immer
weniger. Man kratzt schon jetzt am Boden des Fasses. Bis April 1999 wurden erst
magere 57 Tonnen Dornhai nach Deutschland importiert, 3% der durchschnittlichen
Vorjahresimporte. Dies liegt nicht etwa an mangelnder Nachfrage. Bestes Indiz
dafür sind die Preise, denn knappe Rohstoffe bei hoher Nachfrage treiben
sie in die Höhe. So sind in Deutschland allein im ersten Quartal 1999 die
Preise für Tiefkühl-Dornhai um 25% gestiegen. « ...das wenige,
was auf den Markt kommt, wird... » nach J. Brümmer « ... bald zu
einem sehr raren und teuren Artikel».
Vielleicht zu spät und
- wie immer - zögerlich reagieren nun auch die zuständigen
US-Behörden auf die alarmierenden Zeichen. Sie planen eine Reduktion der
Fangquoten für Dornhaie in den US-Hoheitsgewässern um 50%, von
jährlich 20 000 Tonnen auf 10 000 Tonnen. In einem weiteren
Schritt soll die direkte Fischerei sogar ganz verboten werden. Diese Weisung des
«Department of Commerce» könnte aber frühestens im kommenden
November in Kraft treten und wird von verschiedenen Interessensgruppen vehement
bekämpft. Ob diese Notbremse noch rechtzeitig gezogen wird, wird die
Zukunft zeigen müssen.
Düstere Aussichten für die Dornhaie.
Shark Info bedankt sich bei Herrn
Jens Brümmer von der
norddeutschen Fisch-Räucherei G.F. Wendt GmbH für seine Mithilfe bei
den Recherchen und die Dornhaiphotos.
* Dr. Alexander J. Godknecht ist
Biologe, Präsident
der Hai-Stiftung / Shark Foundation und Mitglied der Shark Info Redaktion. Er arbeitet am Zentrum
Informatikdienste der Universität Zürich.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. Alexander J. Godknecht
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