Von Dr. John G. New
Haie können Gerüche auch noch in milliardenfacher
Verdünnung aufspüren. Ihr gut entwickelter
Geruchssinn, die auffälligen, grossen Nasenlöcher und die damit verbundene Hirnregion
haben den Tieren auch die Bezeichnung schwimmende Nase eingetragen.
In ihrem täglichen Leben spielt der Geruchssinn eine wichtige Rolle. Bereits zu Beginn
dieses Jahrhunderts zeigten Verhaltensstudien von Paker und Sheldon, dass selbst
geblendete Haie ihre Nahrung finden; verstopfte man aber die Nasenlöcher der Tiere
mit Watte, nahm die Fähigkeit des Aufspürens ab.
Das eigentliche Organ liegt in den Geruchskapseln in den seitlichen Nasenkammern der
Schnauze. In diesen Kapseln, die mit dem Wasser verbunden sind, befinden sich die
Geruchszellen.
Die Nasenkammern haben je eine Öffnung für aus- und einströmendes Wasser, das mit
sehr geringem Widerstand das sensorische Gewebe passiert. Mittransportierte Geruchspartikel,
die das Gewebe berühren, werden in den Sinneszellen in ein elektrisches Signal
verwandelt und ans Vorderhirn und das zentrale Nervensystem weiterleitet.
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cb
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Vorderhirn
Cerebellum
Geruchstrakt
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Geruchsepithel
Geruchskolben
Geruchskapsel
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Zwei Möglichkeiten Beute mittels Geruchssinn aufzuspüren, Klinotaxis und Rheotaxis
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Illustration: René Kindlimann / Shark Info 1997
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Physiologische Untersuchungen ergaben, dass der Geruchssinn dieser Meeresbewohner
äusserst sensibel ist. So wurde nachgewiesen, dass Zitronenhaie (Negaprion brevirostris)
beispielsweise eine 25-millionenfache Verdünnung von Thunfischextrakten entdecken
und Schwarzspitzen-Riffhaie (Carcharhinus limbatus)
und Graue Riffhaie (Carcharhinus amblyrhynchos)
sogar Extrakte aus Muskelfleisch in einer Verdünnung von 1 zu 10 Milliarden orten.
Das entspricht einem Tropfen in einem etwa tausend Quadratmeter grossen und zwei
Meter tiefen Becken.
Wie Haie ihre Beute mit dem Geruchssinn lokalisieren, ist noch nicht vollständig geklärt.
Heute geht man von zwei Modellen aus:
Eines dieser Modelle basiert auf der Tatsache, dass die Konzentration von Geruchsstoffen
an deren Quelle am grössten ist und mit zunehmender Distanz abnimmt. Dieses Modell
( Gradient search model ) besagt, dass Haie die Konzentrationsveränderungen des Geruchsstoffes fortlaufend analysieren und sich von einer Umgebung mit schwächerer in
eine solche mit stärkerer Konzentration begeben. Diese Suchform heisst Klinotaxis ;
um sie zu optimieren, muss das Tier stets in einem bestimmten Winkel zur Geruchsquelle
schwimmen und die Richtung ändern, sobald die Konzentration unter ein bestimmtes Mass
sinkt. Diese Methode ergibt eine S-förmige Bewegung gegen die Quelle. Es gibt begründete
Hinweise darauf, dass gewisse Haie diese Technik anwenden; obschon die Konzentrationsunterschiede in einigem Abstand zur Geruchsquelle dermassen gering sind, dass ein
Lokalisieren schwierig ist.
Ein zweites Modell beschreibt einen anderen Weg zur Geruchsquelle: Die Haie schwimmen
nicht gegen das Konzentrationsgefälle, sondern gegen die Strömung ( Rheotaxis ).
Bei diesem Modell ist das Tier gezwungen, andere sensorische Hilfen einzubeziehen
wie etwa das Seitenlinienorgan, das die Strömungsrichtung erkennt. Dies wäre auch eine logische
Erklärung, weil Geruchsstoffe im Wasser mit der Strömung ziehen.
Haie scheinen die eine oder andere dieser Strategien oder auch beide zusammen zu benutzen.
Vieles aus dem Geruchssensorik des Hais ist noch unbekannt. Zum Beispiel, ob chemische
Gerüche auch zur Kommunikation verwendet werden, wie etwa das Anlocken von Geschlechtspartnern mit chemischen Lockstoffen. Die grosse Empfindlichkeit des Hai-Geruchssinns
legt eine solche Vermutung nahe. Unbekannt ist zudem, ob Geruchshinweise beim Wanderverhalten
eine Rolle spielen und wie die Informationen von Gerüchen im zentralen Nervensystem verarbeitet werden.
* Dr. John G. New ist Associate Professor im Department
of Biology and Parmly Hearing
Institute der Loyola Universität in Chicago und besitzt grosse Erfahrung im Forschungsbereich
zum Octavolateralen System (Seitenlinien- und Innenohrsytem) ) der Haie.
Ausgewählte Literatur:
Sheldon, R.E. (1911) The reaction of the dogfish to chemical stimuli. Journal of Comparative
Neurology and Psychology 19: 723-311
Parker, G.H. (1914) The directive influence of the sense of smell in the dogfish.
Bulletin of the U.S. Bureau of Fisheries 33:61-68.
Tester, A.L. (1963) The role of olfaction in shark predation. Pacific Science 17:
145-170
Kleerekoper, H. (1978) Chemoreception and its interaction with flow and light perception
in the locomotiona and orientation of some elasmobranchs. In: Sensory Biology of
Sharks, Skates and Rays, RF Mathewson and E.S. Hodgson, eds. Office of Naval Research, Arlington, VA.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info / Dr. John G. New
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