Bericht Shark Info
Die kommerziellen Haifänge stiegen im
westlichen Nordatlantik und
dem Golf von Mexiko zwischen 1979 und 1989 von 135 Tonnen auf 7 122 Tonnen. In
derselben Periode sanken jedoch die von Sportfischern gelandeten Haie von 11 512
Tonnen auf knappe 1 666 Tonnen. Dies zeigte eine Studie, die 1993 von der
National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) der US-Regierung in
US-Küstengewässern durchgeführt wurde. Wie kann eine derart gegenläufige
Entwicklung erklärt werden? Der Anstieg der kommerziellen Fänge beruhte eindeutig
auf einer steigenden Nachfrage nach Haiprodukten. Haie wurden deshalb
entsprechend intensiver und mit immer effizienteren Fangmethoden befischt. Der
gleichzeitige Rückgang der von Sportfischern gelandeten Haie war jedoch ein
klares Warnzeichen für eine Überfischung der Haibestände durch die unregulierte
kommerzielle Fischerei in der Region.
Um die verbleibenden Haipopulationen zu
schützen, entwickelte der National Marine Fisheries Service (NMFS, eine Abteilung
der NOAA) 1993 einen Fischerei-Management Plan. Für die Umsetzung des Plans war
es wichtig, eine Methode zu finden, die eine von Statistiken der kommerziellen
Fischerei unabhängige Bestandesaufnahme der Haie der Regionen möglich machte.
Diese unabhängigen Bestandesaufnahmen sollten zur Überwachung der Wirksamkeit des
Management-Plans dienen. Als eine der ersten Massnahmen wurden den kommerziellen
Fangflotten wissenschaftliche Beobachter zugeteilt. Zusätzlich startete NOAA ein
Pilotprojekt für die Bestandesaufnahme der Haie in den betroffenen Regionen. Die
Mississippi Laboratorien, eine Zweigstelle der NOAA, wurden mit der Feldarbeit
beauftragt. Ihnen zur Seite stand die auf intensiv wandernde Arten spezialisierte
Abteilung des NMFS. Projektleiter war Mark Grace*, der uns freundlicherweise die
Informationen über das Projekt zur Verfügung gestellt hat.
Die Feldarbeiten für das Pilotprojekt wurden 1995 - 1996,
jeweils Mitte bis Ende
Sommer durchgeführt, da nur in dieser Zeitspanne ein geeignetes Forschungsschiff,
die Oregon II, verfügbar war. Durch diese Einschränkung konnte leider auf
bekannte, saisonale Schwankungen der Haifänge keine Rücksicht genommen werden.
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In der Regel wurde das 52 m lange NOAA Forschungsschiff Oregon II
als Fangschiff eingesetzt. Neben 18 Besatzungsmitgliedern bietet es Platz für 13
Wissenschaftler und ihre Ausrüstung.
© Mark Grace / Hai-Stiftung
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Die Regionen, die regelmässig untersucht werden sollten, waren der westliche Teil
des Nordatlantiks von Maine bis zu den Florida Keys, der Golf von Mexiko, Kuba
und die Fanggebiete um die Insel Navassa (siehe Karte). Mit Mexiko und Kuba
wurden hierfür spezielle Vereinbarungen zur Kooperation getroffen.
Für die
Datenerhebung mussten Haie gefangen und markiert werden. Hierbei konnte man nicht
die kommerziellen Fangmethoden einsetzen, da die Haie möglichst schonend gefangen
und wieder freigelassen werden sollten. So wurden zwar auf Grund liegende, 1.85
km lange Longlines eingesetzt. Sie hatten in der Regel 100 Haken mit atlantischen
Makrelen (Scomber scomber) als Köder. Die Leinen wurden allerdings, im Gegensatz
zur kommerziellen Fischerei, nur für eine Stunde gesetzt und danach wieder
eingeholt. Um die Longlines möglichst schnell wiederfinden zu können, wurden sie
mit radarreflektierenden Bojen markiert. Die Tiefen, in denen gefischt wurde,
schwankten zwischen 9 und 73 m in US-Küstengewässern und Mexiko, und zwischen 9
und 413 m um Kuba und Navassa. Gefischt wurde im Schichtbetrieb während 24
Stunden. An jedem der für ein Gebiet zufällig ausgesuchten Fangorte wurde zudem
ein physikalisches und chemisches Profil der Wassersäule erstellt und
atmosphärische Daten gesammelt.
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Ein atlantischer Braunhai (Carcharhinus plumbeus) wird an
Bord der Oregon II markiert, um später wieder freigelassen zu werden.
© Mark Grace / Hai-Stiftung
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Für Populationsuntersuchungen ist die Markierung
und der Wiederfang von möglichst vielen Tieren wichtig. Populationsgrössen können
mit Hilfe von statistischen Analysen von Fängen markierter und unmarkierter Tiere
geschätzt werden. Markierungen sind aber auch wichtige Hilfsmittel, um über
Wanderungen Auskunft zu geben und um so festzustellen, welche Populationen
grenzüberschreitende Verbreitungsgebiete haben. Auf den Marken des Mississippi
Laboratoriums war entsprechend eine Aufforderung an Fischer eingraviert, die
Marken-Nummer, Fangort, Datum und wenn möglich Länge und Gewicht des
wiedergefangenen Hais dem NMFS zu melden.
Die Fahrten der Oregon II bieten für viele
Wissenschaftler die seltene Chance, mit verschiedenen Haiarten direkt in
Berührung zu kommen und sie zu untersuchen. So werden regelmässig Studenten,
Lehrer und namhafte Wissenschafter aus aller Welt auf die Oregon II eingeladen.
Forscher aus Mexiko, Kuba, Kanada, Deutschland, Frankreich, England, Neuseeland
und der Schweiz konnten bereits an derartigen Exkursionen teilnehmen.
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Die Fischereizonen im Nordatlantik, dem Golf von Mexiko
und in der Karibik, die von der Oregon II während des
Projektes regelmässig untersucht wurden, sind grün markiert.
© Mark Grace / Hai-Stiftung
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Während des Pilotprojektes von 1995 bis 1996 wurden 875 Haie gefangen,
die sich aus insgesamt 22 Arten zusammensetzten. Der grösste Teil der Haie konnte
markiert und lebendig wieder in ihr Element entlassen werden. Die schonende
Fangmethode hat sich bewährt. Die am häufigsten gefangenen Arten waren der
atlantische Scharfnasenhai (Rhizoprionodon terranovae) mit einer Häufigkeit von
62% und der Tigerhai (Galeocerdo cuvier) mit 9%. Weniger als je 5% Anteil an den
Fängen hatten zum Beispiel Hammerhaie (Sphyrna Arten). Seidenhaie (C.
falciformis) und Bullenhaie (C. leucas) und andere Arten machten je weniger als
1% aus (detailliertere Aufstellung siehe Kasten). Die Zusammensetzung der Arten
und die Grössenverteilung innerhalb der Arten entsprachen Vergleichsdaten der
kommerziellen Fischerei. Dies war aus zwei Gründen sehr erfreulich: Zum einen
kann ein einziges Schiff wie die Oregon II nicht dieselbe Fläche befischen wie
eine ganze kommerzielle Fangflotte, man musste sich mit Stichproben begnügen. Die
statistisch zufällige Auswahl der Fangplätze innerhalb einer Region lieferte
dennoch verlässliche Daten. Zum zweiten bietet sich durch den Nachweis der
Verlässlichkeit der Methode die Möglichkeit, auch ausserhalb der normalerweise
von den grossen Flotten befischten Regionen Probefischzüge durchzuführen. Dies
erlaubt die Sterblichkeitsraten von befischten und nicht befischten Populationen
vergleichen zu können.
Die erfreulichen Resultate bestätigten NOAA darin, das
Projekt weiterzuführen. Bis Ende Sommer 1999 konnten insgesamt 2600 Haie
gefangen, untersucht und die meisten markiert wieder freigelassen werden. Das
Wissen über die Haipopulationen in den untersuchten Regionen wird mit jeder Fahrt
der Oregon II grösser. Anhand von Vergleichen der Daten verschiedener Jahre
können möglicherweise bald gewisse Entwicklungstrends für die regionalen
Haipopulationen berechnet und sinnvolle Fangquoten festgelegt werden. So wird
hoffentlich in Zukunft für alle, die Fischer und die Haie, ein Miteinander ohne
Arbeitslosigkeit für die einen und Überfischung und Ausrottung für die anderen
möglich werden.
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Art |
wissenschaftliche Bez. |
Anteil |
atlantischer Scharfnasenhai |
Rhizoprionodon terranovae |
62% |
Tigerhai |
Galeocerdo cuvier |
9% |
Schwarznasenhai |
Carcharhinus acronotus |
7% |
atlantischer Braunhai |
C. plumbeus |
5% |
grosser Schwarzspitzenhai |
C. limbatus |
5% |
Hammerhai Arten |
Sphyrna sp. |
< 5% |
Spinnerhai |
C. brevipinna |
< 5% |
Dornhai |
Squalus acanthias |
< 5% |
Seidenhai |
C. falciformis |
< 1% |
Bullenhai |
C. leucas |
< 1% |
Zitronenhai |
Negaprion brevirostris |
< 1% |
Ammenhai |
Ginglymostoma cirratum |
< 1% |
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* Mark Grace ist Fischereibiologe und Projektleiter der Haistudie
der NMFS Mississippi Laboratorien seit deren Beginn 1995. Herr Grace begann seine
Karriere beim NMFS als wissenschaftlicher Beobachter auf japanischen
Longline-Thunfischfängern, die in US-Gewässern fischten.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info
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