Bericht Shark Info
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Foto: Tigerhai
© Shark Info / Doug Perrine
Dieses Bild ist mit einem elektronischen Wasserzeichen versehen.
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Jedes Jahr werden dem «International Shark Attack File» (ISAF) in Florida
weltweit zwischen 50 und 75 Haiangriffe auf Menschen gemeldet; fünf bis zehn davon
enden tödlich. Das ISAF wird von professionellen Haiforschern unterhalten, existiert
seit 1958 und hat bis heute über 2700 Haiunfälle dokumentiert; der älteste datiert aus
dem 16. Jahrhundert. Bei näherem Betrachten ist nicht der Hai, sondern der Mensch
der Übeltäter - Menschenangriffe.
Angriffe von Haien sind in aller Regel menschengemacht. Das zeigt besonders eindrücklich
ein Beispiel aus Brasilien: Von September 1992 bis August 1995 wurden vor Recife
im gleichen zehn Kilometer langen Küstenabschnitt, wo es vorher nie Haiunfälle gab,
zwanzig Attacken registriert ; zwei Surfer und vier Schwimmer verloren dabei ihr Leben.
Die beiden neuesten Ereignisse datieren vom vergangenen 28. Oktober 1996, als zwei
Surfer - vermutlich von einem Bullenhai - verletzt worden sind. Untersuchungen der
Universität von Pernambuco bei Recife und ein internationaler Workshop von Haispezialisten
ermittelten eine neu errichtete Hafenanlage in der Nähe als wichtigste Ursache für
die Unfälle. Die Anlage brachte eine Zerstörung von Biotopen mit sich; als Folge
wurden die Beutefischpopulationen der Haie in die Baderegion verdrängt. Die Zunahme des
Schiffsverkehrs brachten zudem vermehrte Abfälle und mehr künstliche Schwingungen
mit sich, auf die Haie reagieren. Die Untersuchungen zeigten, dass die Anzahl der
Schiffe mit der Anzahl von Haiattacken in einem hohen Mass übereinstimmt (p< 0.001). Als
weitere Gründe sind aufgeführt worden: eine Zunahme von Badenden; Garnelen-Fischer,
die unter allen Fischereizweigen den grössten Beifang haben und diesen über Bord
werfen sowie bis ans Ufer reichende Unterwassertäler. Das Ausbaggern des Hafensbeckens führte
ausserdem zu Strömungsveränderungen, die oft Änderungen
des Nahrungsangebotes bewirken.
Nur einige wenige der rund 380 Arten können wirklich gefährlich werden. Von den 2700
im «International Shark Attack File» verzeichneten Unfällen ist nur bei einigen
hundert nachweisbar, welche Art involviert war. Bis heute sind deren 44 in Unfälle
verwickelt worden; die meisten jedoch mehr oder weniger als Einzelfälle. An der Spitze
steht der Weisse Hai (Carcharodon carcharias).
Seit 1958 bis heute verzeichnet das ISAF 205 Unfälle mit dem Weissen. Es folgen
mit je 42 Unfällen der Gemeine Grund- oder Bullenhai (Carcharhinus leucas)
und der Sandtiger (Carcharias taurus),
der Schwarzspitzenhai (Carcharhinus limbatus)
mit 14, der Schwarzspitzen-Riffhai (Carcharhinus melanopterus)
mit 13 und der Blauhai (Prionace glauca)
mit 12 Unfällen, in die Menschen involviert waren. Darunter sind der Weisse Hai,
der Gemeine Grundhai und der Tigerhai (Galeocerdo cuvier)
für die meisten unprovozierten Unfälle verantwortlich. Der Sandtiger ist nur scheinbar
aggressiv; hinter den bisher registrierten Unfällen stecken meist Belästigungen durch
den Menschen.
Weitere populäre Haiarten, die im ISAF vermerkt sind: Der Grosse Hammerhai (Sphyrna
mokarran), der Mako (Isurus oxyrhinchus),
der Weissspitzen-Hochseehai (C.longimanus) sowie gewisse Riffhaie wie der
Karibische Riffhai (C. perezi).
Dass Weisse Haie, Tiger- und Gemeine Grundhaie sowie Sandtiger in die meisten der
Unfälle involviert
sind, liegt einerseits an deren Grösse (Weisser Hai: bis acht Meter, Gemeiner Grundhai
bis 3,5 Meter) und
daran, dass sie auch in küstennahen Gewässern leben und jagen, dort also, wo sich
der Bade- und Surfbetrieb abspielt.
Bei Haiattacken wird zwischen provozierten und nicht bewusst provozierten unterschieden.
Als nicht provoziert gelten Unfälle, bei denen nicht kontrollierbare Faktoren im
Spiel sind und bei denen der Mensch dem Hai keinen offensichtlichen Anlass gibt,
zuzubeissen. Bei provozierten Angriffen gehören zum Beispiel Geräusche, hastig-nervöse
Bewegungen, glitzernde Gegenstände, Metallteile oder Blut zu den angriffsauslösenden
Faktoren.
Aus vielen Regionen der Erde liegen keine Meldungen über Haiattacken vor. Das bedeutet
jedoch nicht, dass es dort keine gibt; der Grund liegt an den Lücken im Informationssystem.
Dass im ISAF auch keine Haiattacken aus der Nordsee vermerkt sind, hat
andere Gründe: Mit Ausnahme von Blauhaien und einigen wenigen anderen Arten kommen dort
nur Tiere vor, die dem Menschen nicht gefährlich werden. Ausserdem hat die Nordsee
der relativ kalten Temperaturen wegen lediglich einen beschränkten Badebetrieb.
Aus dem Mittelmeer wurden dem ISAF seit 1958 insgesamt 27 Unfälle gemeldet. Acht davon
gehen auf das Konto von Weissen Haien, einer ist von einem einem Blauhai verursacht
worden. Einige Regionen des Mittelmeeres scheinen ihrer Temperaturen und Flachgewässern
wegen ideale Geburtsstätten für den Weisse Hai zu sein. Dazu gehört die Strasse
von Messina bei Sizilien, wo diese Tiere immer wieder beobachtet werden. Von dort
existieren Berichte über gefangene Jungtiere mit einer Länge von 1,20 bis 1,80 Meter
(Geburtsgrösse: 1,20 Meter); es sind Masse, die eine Geburtsregion vermuten lassen. Bist
heute sind im Mittelmeer 123 Sichtungen des Weissen Hais verbürgt; erste Beschreibungen
stammen aus dem Jahre 1878 aus der Region Valencia. Im Mittelmeer wurde auch einer
der weltgrössten Weissen Haie gefangen; 1987 landete Alfred Cutajar vor Malta angeblich
ein 7,13 Meter langes weibliches Tier. Nach neuesten Erkenntnissen sind solche Längenangaben
möglicherweise überhöht. Laut Dr. Gordon Hubbell, anerkannter Spezialist
für Weisse Haie, beträgt die wissenschaftlich verbürgte Messung des bisher grössten
gefangenen Weissen Hais nicht mehr als sechs Meter. Doch muss aufgrund von Modellen
und Rückberechnungen angenommen werden, dass es Tiere bis zu sieben Meter Länge
gibt.
Zusammengezählt gehen Menschen weltweit vierzig Milliarden Mal zum Schwimmen und Plantschen
in eines der Meere. Die dabei geschehenden Haiunfälle nehmen sich dabei eher bedeutungslos
aus. So wurde errechnet, dass es in den USA dreissig Mal wahrscheinlicher sei, von einem
Blitz getroffen zu werden, als einem Hai ins Gebiss zu geraten.) Je
nachdem, welche Vergleiche und Statistiken man bemüht, gilt es, zu relativieren.
Auf jeden Fall steht die Anzahl der Haiunfälle in keinem Verhältnis zum Medienecho
und zur Hysterie, die sie jeweils auslösen. Ein weiterer Vergleich: In Deutschland sterben
jedes Jahr gegen zehntausend Menschen nach Verkehrsunfällen, in der Schweiz sind
es gegen 700 Todesopfer.
Abgesehen von eventuellen Revier-Verteidigungen geschehen Haiangriffe auf Menschen
in aller Regel irrtümlich. Mit im Spiel sind elektromagnetische Felder und Schwingungen
sowie fehlinterpretierte visuelle Reize. Haie können bioelektrische Felder und
Schwingungen wahrnehmen, wie sie auch von Booten, Motoren, Unterwassergeräten oder im Wasser
plantschenden Menschen erzeugt werden. Es sind Signale, die dem Hai eine normale
Beute vorgaukeln und deshalb zu einem Angriff führen können. Dabei spielt es keine
Rolle, dass das visuelle Bild vielleicht ungewohnt ist; denn die bioelektrische Wahrnehmung
und Schwingungen dominieren und sind auslösender Faktor. Herumplantschende Menschen
erzeugen in etwa dieselben Schwingungsfrequenzen (20 - 300 Hz) wie beispielsweise
die Bewegungen verletzter Fische, auf die Haie äusserst sensibilisiert sind.
Drei mögliche Angriffsformen stehen im Vordergrund: «hit & run» (treffen und
flüchten), «bump & bite» (rammen und beissen) und «sneak» (anschleichen
und zubeissen).
«Hit & run» ist eine Attacke, bei der das Tier meistens nur einmal zubeisst
und danach seine Beute loslässt, wenn sie nicht dem gewohnten Bild entspricht; bei
Unfällen mit Menschen ist dies die typische Verhaltensweise. Bestätigt sind Hit
& run-Unfälle mit Schwarzspitzen-, Spinner- (C. brevipinna)
und Schwarznasenhaien (C. acronotus).
Eine «Bump & bite»-Attacke beinhaltet nahezu immer mehrere Angriffe. Dabei
stösst der Hai das Opfer an (bump), vermutlich um es zu verscheuchen. Der Graue Riffhai
Carcharhinus amblyrhinchus
verändert dabei auch seine Körpersprache und macht als Warnsignal eine Drohgebärde,
das sogenannte «Hunching». Das Tier nimmt eine bizarre Körperhaltung ein:
es formt einen Buckel, drückt die beiden Brustflossen nach unten, stellt den Schwanz
nach oben und schwimmt in einer schaukelnden Bewegung. Das Buckeln scheint mit dem Katzenbuckel
vergleichbar: einerseits möchte die Katze vor der Gefahr flüchten, andererseits jedoch
möchte sie ihr trotzen. Dies mit dem Effekt, dass sich der vordere Teil des
Körpers zurückzieht, der hintere jedoch stehenbleibt. Ob das Buckeln beim Hai zur
Revierverteidigung gehört, ist ungewiss, da bis heute noch umstritten ist, ob diese
Meeresräuber wirklich Reviere besitzen. Wer dieses Warnzeichen missachtet, wird
angegriffen und es kommt zum eigentlichen Bump & bite, das für ein
Beutetier fast immer tödlich
endet
«Sneak» ist eine Technik, die der Weisse Hai vor allem beim Angriff auf Seehunde
einsetzt. Dabei wird das Opfer von jener Seite her angegriffen, von der der Jäger
schlecht sichtbar ist - bei Seehunden von unten und hinten. Solche Angriffe laufen
meist keineswegs schleichend ab, wie der Fachausdruck glauben liesse, sondern mit hoher
Geschwindigkeit; das Opfer wird gebissen, nachher zieht sich der Hai wieder zurück.
Das verhindert, dass das um sich schlagende Beutetier seinen Jäger verletzt. Ist
die Beute durch Blutverlust genügend geschwächt, greift er erneut an. Sneak ist stets mit
mehreren solcher Attacken verbunden und sie enden für Beutetiere immer tödlich.
Die wenigsten tödlich verlaufenden Haiunfälle müssten
bei fachgerechter Hilfe so tragisch
enden, da die meisten Opfer verbluten. Oft würden einfache, in jedem Erste Hilfe-Kurs
vermittelte Methoden das Leben der Patienten retten.
Haiangriff - der herkömmliche Wortsinn ist umzukehren. Denn: Jedes Jahr werden laut
FAO 600 000 Tonnen Haie als «unnützer» Beifang weggeworfen - fast die Hälfe
der schätzungsweise 1,3 Millionen Tonnen Haie, die pro Jahr gelandet werden. Der
Beifang besteht oft aus jugendliche Tieren, wie Stichproben zeigten. Allein im Atlantik
vernichten taiwanesische Flotten im Jahr etwa 34 000 Tonnen Haie.
Haie haben eine Evolutionsgeschichte von vierhundert Millionen Jahren hinter sich
und sind in ihren Lebensräumen optimal angepasst. Die Konkurrenz des Menschen und
sein aggressives Eindringen und Zerstören in die Ökosysteme der Meere war in diesem
Konzept nicht vorgesehen.
Betroffene Sportarten
Von Haiunfällen betroffene Sportarten: In 34% aller bisher registrierten Haiunfälle
waren Schwimmer involviert. Taucher: 23%. Im Wasser watende Menschen: 20%. Badende: 15%. Surfer: 8%
Statistik nach Regionen
In den Jahren 1990 bis 1995 wurden weltweit insgesamt 283 Unfälle mit Haien gemeldet;
davon verliefen 14,1% (40 Ereignisse) tödlich.
Beispiele einiger Regionen:
Region |
Anzahl Angriffe |
Anzahl Todesfälle |
Anzahl Verletzte |
Florida |
92 |
0 (0%) |
92 (100%) |
Brasilien |
32 |
6 (18.75%) |
26 (81.25%) |
Südafrika |
28 |
3 (10.7%) |
25 (89.3%) |
Kalifornien |
20 |
1 (5%) |
19 (95%) |
Hawaii |
19 |
3 (15.8%) |
16 (84.2%) |
Neuseeland |
8 |
3 (37.5%) |
5 (62.5%) |
La Réunion |
6 |
3 (50%) |
3 (50%) |
Hongkong |
6 |
6 (100%) |
0 (0%) |
Japan |
5 |
3 (60%) |
2 (40%) |
|
Australien* |
11 |
4 |
7* |
|
* Daten unvollständig vorhanden.
Der amerikanische Haiforscher und Verhaltensbiologe Arthur Myrberg hat in den siebziger
Jahren entdeckt, dass die Schwingungen von Hubschrauber-Rotorblättern für manche
Hai-Attacken verantwortlich sind. Immer wieder wurde nämlich beobachtet, dass in
Seenot geratene Opfer jeweils kurz vor ihrer Rettung von Haien angefallen werden just
wenn der ersehnte Hubschrauber über den Köpfen schwebt.
Die Schwingungen der Rotorblätter
seien in etwa dieselben, so Myrberg, wie sie beispielsweise verletzte Fische
erzeugen - und die mobilisieren die Haie. Es sind Druckwellen, die die Räuber der
Meere mit dem sogenannten Seitenlinienorgan wahrnehmen - mit Abertausenden von Sinneszellen,
einer Art von «Mini-Ohren». (Siehe dazu auch das Fact Sheet:
Das Seitenliniensystem der Haie).
Das «International Shark Attack File» (ISAF) befindet sich im Florida Museum
of Natural History in Gainsville und wird vom Biologen George Burgess geleitet. Das
ISAF ist eine Institution des American Elasmosbranch Society (AES), einer
Organisation von professionellen Haiforschern. Die detaillierten Dokumente sind aus
Persönlichkeitsschutzgründen
nicht öffentlich zugänglich. Die
Files enthalten zum Beispiel vertrauliche Obduktionsberichte,
Interviews und Protokolle von Gerichtsmedizinern.
Die Entstehung des ISAF hängt mit dem grossen Interesse der Amerikaner an Haiangriffe
zusammen. Während des Zweiten Weltkrieges gab es nämlich
bei Schiffs- und Flugzeugunglücken
immer wieder Haiangriffe. 1958 wurde deshalb in New Orleans eine
Konferenz einberufen, die das Lancieren effizienter Haiabwehrmittel zum Ziel hatte. Im gleichen
Jahr gründete eine aus der Konferenz hervorgegangene Arbeitsgruppe (Leitung: Perry
W. Gilbert) das erste. Ziel: Haiangriffe weltweit erfassen und dokumentieren.
Veröffentlichung nur mit Quellenangabe: Shark Info
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